Betreff
Bestattungssituation und Entwicklung der Friedhöfe Oehde und Linderhausen
Vorlage
062/2008
Aktenzeichen
TBS/Lie
Art
Berichtsvorlage

Der Vorstand hat dem Verwaltungsrat im November 2007 im Rahmen der Beratung der Friedhofsgebühren berichtet, dass Überlegungen zur Zukunft des Friedhofes Linderhausen angestellt würden.

Diese Überlegungen sind zwischenzeitlich abgeschlossen worden und sollen in dieser Berichtsvorlage ebenso dargestellt werden, wie die Überlegungen zur Einrichtung eines islamischen Gräberfeldes auf dem Friedhof Oehde.

 

 

Zum allgemeinen Hintergrund im Friedhofswesen

Das seit Jahren in Deutschland herrschende Geburtendefizit und die Zunahme des Durchschnittsalters der Bevölkerung führt in den letzten Jahren zunehmend zu rückläufigen Sterbefallzahlen. Als Folge nehmen die Freiflächen durch nicht belegte Gräber für Erdbestattungen auf Friedhöfen immer mehr zu.

Zwar ist nach den Prognosen des Statistischen Bundesamtes in den kommenden 50 Jahren durch das Hineinwachsen der geburtenstarken Jahrgänge 1962 bis 1967 in die hohen Altersgruppen wieder mit einem Anstieg der jährlichen Sterbefälle zu rechnen, jedoch kann aufgrund der zunehmenden Urnenbestattungen bei gleichzeitig abnehmender Nachfrage an Sargbestattungen nicht mit einer nennenswerten Auslastung der Freiflächen gerechnet werden.

Diese Entwicklung erfordert - nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten - ein zukunftsorientiertes Umdenken bei der Planung und Gestaltung von Friedhöfen.

 

 

Zur Situation in Schwelm:

Die Bestattungssituation auf den Friedhöfen der TBS ist ein Spiegelbild dieser bundesweiten Entwicklung. In den letzten Jahren ist ein Rückgang von Sargbestattungen und eine gleichzeitige Zunahme von Urnenbestattungen festzustellen. Die Entwicklung der letzten 5 Jahre und die konkrete Bestattungssituation im Jahre 2008 stellt sich wie folgt dar:

 

 

 

 

 

 

 

 

2003

2004

2005

2006

2007

Urnenbestattungen  

44%

44%

67%

68%

60%

Sargbestattungen

56%

56%

33%

32%

40%

Grabstellenverkäufe für Sargbestattungen

  80

  67

  54

  40

 56

Grabstellenrückgaben für Sargbestattungen

 

 

216

229

200

200

203

Stand: 01.01.2008

Grabstellen mit Nutzungs-recht für Sargbestattungen

Freie Grabstellen für Sargbe-stattungen

Friedhof Oehde

5.150

2.850

Friedhof Linderhausen

   610

   330

 

Aus dieser Übersicht ergibt sich eine ausreichende Vorhaltung an freien Grabstätten für Sargbestattungen auf dem Friedhof Oehde, die sogar für die Bestattung von Linderhauser Einwohnern langfristig ausreichen würde.

 

 

Zur besonderen Situation in Linderhausen:

Auf dem Friedhof Linderhausen finden im Durchschnitt jährlich lediglich 10 Bestattungen statt. Durch die dezentrale Lage des Friedhofs ist der zeitliche und somit auch wirtschaftliche Aufwand für die Durchführung einer Bestattung unverhältnismäßig hoch. Die erforderlichen Gerätschaften und Fahrzeuge stehen vor Ort nicht zur Verfügung, sondern müssen jeweils vom Standort Oehde zum Friedhof Linderhausen bewegt werden. Gleiches gilt für die Durchführung von Pflegearbeiten.

Für das Personal ergeben sich unwirtschaftliche Rüst- und Fahrzeiten von jährlich rd. 200 Stunden; dies entspricht einem Personalkostenanteil von ca. 6.000 €.

Die allgemeinen Unterhaltungskosten für den Friedhof Linderhausen belaufen sich auf jährlich ca. 18.000 €.

 

Diese Situation hat Anlass zu Überlegungen gegeben, ob sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus praktischen Gesichtspunkten ein Schließung des Friedhofs Linderhausen angezeigt sein könnte.

            Exkurs zur rechtlichen Situation im Falle einer Schließung:

Der Friedhof Linderhausen wurde im Rahmen des Gebietsänderungsvertrages vom 13.03.1968 in die Gemeinde Schwelm eingegliedert. In § 9 Buchstabe a) dieses Vertrages hat sich die Stadt Schwelm verpflichtet, „im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren“ den Friedhof Linderhausen zu erhalten und weiterhin zur Verfügung zu stellen.

§ 3 Bestattungsgesetz – BestG NRW regelt die Schließung und Entwidmung von Friedhöfen. Nach Abs. 1 können Friedhöfe ganz oder teilweise geschlossen werden. Die Schließungsabsicht ist der Genehmigungsbehörde (Kreisordnungsbehörde) anzuzeigen. Vorausgesetzt wird ein entsprechendes öffentliches Interesse.

Die politische Entscheidung obliegt nach der Gemeindeordnung – GO NRW dem Rat, der gem. § 41 Abs. 1 Buchst. l über Einschränkungen und Auflösungen von öffentlichen Einrichtungen zu entscheiden hat.

Dem einzelnen Friedhofsbenutzer steht kein Rechtsanspruch auf Erhaltung eines Friedhofs und damit kein Widerspruchsrecht gegen eine beabsichtigte Schließung zu. Aus dem Bestattungszwang und der Pflicht von Gemeinden zur Anlegung und Bereithaltung von Friedhöfen ergibt sich jedoch, dass die Bestattung in der Gemeinde an anderer Stelle hinreichend gewährleistet sein muss.

Bei einer Schließung bleiben der Friedhof und seine Einrichtungen erhalten. Er kann auch ggf. wieder eröffnet werden. Ausgeschlossen werden lediglich weitere Bestattungen. Die Eigenschaft als öffentliche Sache geht nicht verloren; der Friedhof bleibt weiterhin zum Besuch und zur Pflege der Gräber geöffnet. Vorhandene Gräber, Grabmale und Grabeinfassungen bleiben bis zum Ablauf der Ruhezeit erhalten.

 

 

Eine Schließung des Friedhofs Linderhausen würde aufgrund der geringen wirtschaftlichen Auswirkungen keine nennenswerten Verbesserungen der Unterdeckung nach sich ziehen. Die Kosten für die Bestattungen würden auf den Friedhof Oehde verlagert und die Aufwendungen für die Pflege des Friedhofes Linderhausen würden auf Grund der oben beschriebenen rechtlichen Situation nahezu unverändert bleiben. Lediglich die Rüst- und Fahrzeiten für die konkreten Bestattungsfälle könnten vermieden werden – für die Pflegearbeiten blieben auch diese Kosten unverändert.

 

Bei der Abwägung ist auch die Funktion des Friedhofes Linderhausen als Identifikationsfaktor für die Bewohner des Ortsteils Linderhausen zu berücksichtigen.

Viele alteingesessene Linderhauser Familien haben ihre Grabstätten auf dem Friedhof Linderhausen und sind deshalb emotional stark mit dieser Einrichtung verbunden. Eine Schließung des Friedhofes würde in diesen Fällen schwer vermittelbar sein.

 

Weiterhin ist eine bedarfs- und flächenorientierte Auslegung des Gräberangebotes in Linderhausen erforderlich; insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Nachfrage an Urnenbestattungen.

Ein Angebot an Urnenbestattungen kann für Linderhauser Einwohner aufgrund des begrenzten Platzangebotes und der Vorhaltepflicht von Gräbern für Sargbestattungen auf Dauer jedoch nur durch platzsparende Bestattungsformen erhalten bleiben. Geeignet ist hierfür der Einsatz von Urnenwänden bei gleichzeitiger Aufgabe von Urnenerdbestattungen. Für den Erwerb von Urnennischen liegen bereits zahlreiche Anfragen Linderhauser Einwohner vor.

 

Auf Grund der vorhandenen Freiflächen und der geringen Bestattungszahlen ist eine Erweiterung des Friedhofs Linderhausen auf der dafür vorgesehenen Freifläche in den nächsten Jahren nicht erforderlich.

 

Nach den vorliegenden Erkenntnissen und der langfristig absehbaren Entwicklung soll aus Sicht des Vorstandes der Friedhof Linderhausen unter den oben genannten Aspekten für Bestattungszwecke erhalten bleiben und das Bestattungsangebot –wie dargestellt - bedarfsorientierter ausgelegt werden.

 

 

 

 

 

Zur Errichtung eines islamischen Gräberfeldes auf dem Friedhof Oehde

 

Über den Bürgermeister der Stadt Schwelm wurde eine Anfrage des Vorstandes der „Türkisch islamischen Gemeinde Schwelm“ auf Errichtung eines Gräberfeldes für islamische Bestattungen auf dem Friedhof Oehde an die TBS herangetragen. In den vergangenen Monaten haben verschiedene Gespräche und Ortsbesichtigungen mit dem Gemeindevorstand stattgefunden.

Gegenstand der Gespräche war vorrangig, die Gegensätze zwischen den islamischen und den landesüblichen Bestattungssitten aufeinander abzustimmen.

Berücksichtigt wurde dabei auch die gesetzliche Vorgabe des § 7,2 BestG NRW, wonach die Friedhofsträger Voraussetzungen dafür zu schaffen haben, dass Bestattungen unter Berücksichtigung des Empfindens der Bevölkerung und der Glaubensgemeinschaft, der die zu Bestattenden angehörten, vorgenommen werden können. Der in § 4 Abs. 1 BestG NRW vorgesehenen Umfang der freien Satzungsgestaltung ermöglicht es, entsprechende Regeln in die Friedhofssatzung aufzunehmen.

 

Islamische Gräberfelder existieren bereits in verschiedenen Städten in Nordrhein-Westfalen, so z.B. in Bochum, Düsseldorf und Köln. Die dortigen Erfahrungen mit dieser Bestattungsform sind durchweg positiv.

 

In den Gesprächen mit dem Vorstand der „Türkisch islamischen Gemeinde Schwelm“ wurde für islamische Bestattungen auf dem städt. Friedhof Oehde die folgende Vorgehensweise entwickelt:

 

  1. Für islamische Bestattungen ist der Innenbereich des Grabfeldes 52 geeignet. Bei dieser Fläche handelt es sich um ein Gräberfeld auf dem Vorbelegungen stattgefunden haben; Nutzungs- und Ruhefristen sind jedoch inzwischen abgelaufen.

Es bestehen Seitens des islamischen Vorstandes keine Bedenken, diese Fläche für islamische Bestattungen zu nutzen, auch wenn es sich hierbei nicht um „unberührten Boden“ handelt.

Die Fläche selbst hat einen eigenständigen Charakter, da angrenzende Gräber am Rand und mit der Kopfseite zum Innenbereich liegen. Die aufgestellten Grabsteine bilden eine optische Abgrenzung.

Die nach islamischer Bestattungsvorschrift erforderliche Ausrichtung der einzelnen Gräber nach Mekka wird von einem Vertreter der islamischen Glaubensgemeinschaft vorgenommen.   

           

  1. Bei der Auswahl der Grabart ist zu berücksichtigen, das islamische Gräber aus religiösen Anschauungsgründen weder bepflanzt noch gepflegt werden und im Islam das Gebot der „ewigen Totenruhe“ vorherrscht. Daher soll als Grabart ein Rasenwahlgrab mit einer Nutzungszeit von 25 Jahren und der Möglichkeit einer Verlängerung entsprechend den Bestimmungen der Friedhofssatzung zur Verfügung gestellt werden. Die lfd. Pflege (Rasenschnitt) erfolgt durch die Friedhofsverwaltung.

Die Möglichkeit der Verlängerung des Nutzugsrechts bietet nach Aussage des Vorstandes der islamischen Gemeinde eine akzeptable Alternative zum Gebot der „ewigen Totenruhe“, wenngleich die Verlängerungsmöglichkeit von der jeweiligen Belegungssituation des Friedhofs abhängig ist und nicht auf Dauer garantiert werden kann.

           

  1. Die Kennzeichnung des Grabes erfolgt entweder durch eine ebenerdig verlegte Grabplatte, einer Stele oder durch ein anderes nach der Friedhofssatzung zulässiges Grabmal.

 

  1. Der Leichnam wird zur rituellen Waschung in eine Moschee überführt. Danach wird der Leichnam der islamischen Tradition entsprechend ohne Sarg bestattet. Die in Tüchern eingewickelte Leiche wird hierzu von Angehörigen in einem Sarg zum Grab getragen. Angehörige, die ins Grab steigen, nehmen den Leichnam entgegen und legen ihn nieder.

 

  1. Für die Grabherstellung und während der Bestattung sind die Vorschriften der Gartenbauberufsgenossenschaft zwingend einzuhalten. Hierzu wird das Grab beim Aushub mit einem Einbaukasten gegen nachrutschendes Erdreich abgesichert. Die nach islamischer Tradition vorgesehene Handzuschüttung durch Angehörige kann bis zur Unterkante des Einbaukastens zugelassen werden. Danach muss der Einbaukasten entfernt und die weitere Zuschüttung durch Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung mit Baggereinsatz vorgenommen werden.

 

Die Nutzung des Gräberfeldes 52 „Innenbereich“ ausschließlich für islamische Bestattungen ist sowohl im Hinblick auf die derzeitige als auch auf die vorausschaubare Belegungssituation des Friedhof Oehde unbedenklich. Weitere islamische Gräberfelder können im Bedarfsfall allerdings nur dann angelegt werden, wenn es die jeweilige Belegungssituation des Friedhofs Oehde zulässt. Gleiches gilt für die Bestattung „auswärtiger“ Personen islamischen Glaubens. Hierzu ist im Einzelfall eine Entscheidung gem. § 2 der Friedhofssatzung zu treffen.

 

Auf dem vorgesehenen Gräberfeld können rd. 100 Grabstellen eingerichtet werden. Diese Vorhaltung dürfte den Bedarf für ca. 15 - 20 Jahre decken, da sowohl nach Einschätzung des Vorstandes der „Türkisch islamischen Gemeinde Schwelm“ als auch nach den bisherigen Erfahrungen anderer Friedhofsträger die Inanspruchnahme der islamischen Gräberfelder sehr zurückhaltend ist. Vornehmlich werden dort Kinder islamischer Familien bestattet. Die meisten Muslime in Deutschland lassen ihre verstorbenen Angehörigen nach wie vor in die Herkunftsländer überführen und dort bestatten.

 

Die Friedhofssatzung und die Gebührensatzung für die städt. Friedhöfe sind geringfügig anzupassen, wobei die sarglose Bestattung bereits in § 6.3 der Friedhofssatzung zugelassen ist.

 

Aufgrund der gebotenen Gleichbehandlung aller Friedhofsnutzer soll die neue Grabart „Rasenwahlgräber“ nicht nur für islamische Bestattungen, sondern auch für die Allgemeinheit auf einem anderen Grabfeld des Friedhofs Oehde angeboten werden. Dies ist auch ohne größeren Aufwand möglich.

 

Vor der endgültigen Entscheidung und Beschlussfassung über die Errichtung des islamischen Gräberfeldes ist ein abschließendes Gespräch zwischen dem Vorstand der „Türkisch islamischen Gemeinde Schwelm“, der Friedhofsverwaltung und dem Vorstand der TBS vorgesehen, in dem die relevanten Punkte abschließend besprochen und in einem schriftlichen Protokoll festgehalten werden sollen.

 

Im Anschluss daran werden die TBS die erforderliche Anpassung der Friedhofssatzung und der Gebührensatzung vorbereiten und dem Verwaltungsrat zur Beschlussfassung vorlegen.