Sachverhalt:
Durch die Kündigung der Kooperation zwischen den Büchereien Schwelm und
Sprockhövel zum 31.12.2022 stehen der Schwelmer Bücherei ab Januar 2023 die
bisher in Sprockhövel geleisteten Stunden zur Verfügung, und zwar 13
Wochenstunden Leitungstätigkeit und 17 Wochenstunden einer Büchereikraft. Mit dem neuen Stundenkontingent bestehen nun
noch bessere Möglichkeiten die im Jahr 2019 beschlossene Neukonzeption der
Stadtbücherei „Bücherei als dritter Ort“ im neuen Kulturhaus umzusetzen und
damit die Schwelmer Innenstadt weiter zu entwickeln.
Dieses Konzept beinhaltet im Zuge der
Erweiterung der Öffnungszeiten unter Einsatz der Selbstverbuchung die Vision
einer „Open Library“ mit Öffnungszeiten Mo. bis Sa. 8:00 bis 20:00 Uhr. Die ab
2023 zur Verfügung stehenden Mitarbeiter*innenstunden passen hervorragend in
dieses Konzept, denn mit mehr Personal kann die Bücherei als dritter Ort noch
attraktiver gestaltet werden, indem damit u.a. die Präsenszeiten des Personals
als Ansprechpartner*innen erhöht werden. Zudem kann die im Konzept ausgeführte
Zielgruppenarbeit, neben den bereits speziell anvisierten Gruppen der
Vorschulkinder und Senioren, etwa auf die Gruppe der Jugendlichen ausgeweitet
werden, die ab dem Eintritt in die Pubertät schwerer zu erreichen ist. Die
Veranstaltungsarbeit kann insgesamt deutlich verstärkt werden.
Open Library bedeutet, die Bücherei über die regulären Öffnungszeiten
hinaus als zusätzliches Dienstleistungsangebot zu nutzen, d. h. früh morgens
oder abends Bücher ausleihen oder die Bücherei während der Mittagspause nutzen
zu können. Dieser Service trägt zur Attraktivitätssteigerung der Bücherei
Schwelm bei.
Ein Gutachten des Berliner Instituts für Zukunftsstudien und
Technologiebewertung gemeinnützige GmbH (ITZ), das 2019 im Auftrag des
Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins zum Thema “Personallose
Betriebszeiten in öffentlichen Bibliotheken erstellt wurde, führt aus, dass
Open Library keinesfalls Öffnungszeiten mit Servicepersonal ersetzen kann und
darf. Denn Open Library führt natürlich nicht zu einer Reduktion der
anfallenden Arbeitsmenge - alle Arbeiten müssen weiterhin erledigt werden. Dazu
zählt der äußerst wichtige Bestandsaufbau, der sehr zeitaufwändig ist, d.h.
aktuelle Medien müssen unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestands, der
Interessen der Leser*innen und neuer Trends recherchiert, bestellt, inhaltlich
erschlossen und ins Bibliothekssystem eingearbeitet werden, Etiketten müssen
gedruckt, aufgebracht und die Bücher für den Gebrauch foliert werden.
Damit die Selbstverbuchung genutzt werden kann, wird in jedes neue
Medium zudem ein RFID-Transponder eingeklebt und mit dem entsprechenden
Datensatz im Bibliothekssystem durch Beschreiben verknüpft. Auch wird der
vorhandene Bestand regelmäßig bereinigt - zerlesene, unansehnliche, beschädigte
oder veraltete Medien müssen ausgesondert werden. Das Rückgaberegal wird
regelmäßig geleert, die Bücher müssen zurückgestellt und Vormerkungen zeitnah
herausgezogen werden. Gewünschte Fernleihen werden beschafft und bereitgestellt
(Fernleihen und Vormerkungen können beispielsweise nicht während der
personalfreien Open-Library-Stunden abgeholt werden).
Allgemeine Verwaltungsarbeiten sind ein eigenständiger und wichtiger
Bestandteil der Arbeit. Konkret beinhaltet der Aufgabenbereich Rechnungen zu
prüfen und zur Zahlung anzuweisen, Mahnverfahren durchzuführen und
nachzuverfolgen, diesbezügliche Zahlungseingänge nachzuvollziehen und sie in
das Bibliothekssystem einzubuchen. Auch das Anstoßen von Einzugsverfahren
gehört dazu, das Erstellen von Bücherausweisen und die Pflege der
Nutzer*innendatenbank.
Es müssen ferner Projektideen entwickelt, Projektanträge geschrieben,
Zwischen- und Abschlussberichte verfasst und Statistiken erstellt werden. Ein
sehr wichtiger Punkt ist zudem, dass die Mitarbeiter*innen in der Bücherei als
Ansprechpartner*innen sichtbar sind. Das bedeutet, Probleme zu lösen - auch mit
der für Schwelm neuen Technik der RFID-Selbstverbuchung, hier sind konkrete
Hilfestellungen zu leisten, Anmeldungen und Kündigungen sind zu bearbeiten,
Ausfünfte zu geben und Recherchen durchzuführen. Der persönliche Service bzw.
die Face-to-Face-Beratung werden als Stärke einer Bücherei wahrgenommen. Hinzu
kommen die Veranstaltungsorganisation und –durchführung, z.B. Klassen- und
Gruppenführungen, Spiele- oder Vorlesenachmittage sowie Abendveranstaltungen
wie beispielsweise Lesungen. Dieser öffentlichkeitswirksame Punkt kann mit
zusätzlichen Stunden und Open-Library-Betrieb ausgeweitet werden, weil beides
auch Freiräume schafft. Es entsteht aber auch zusätzliche Arbeit mit einem Mehr
an Zeitaufwand durch die Vor- und Nachbereitung des Open-Library-Betriebs. So
müssen beispielsweise Türen und Fenster verschlossen, Geräte verstaut oder
gesichert sowie Probleme gesichtet und gelöst werden, die während des täglichen
Open-Library-Betriebs auftreten.
Open Library bedeutet nicht, dass sich Beschäftigte nicht auch zu den
personalfreien Zeiten in der Bibliothek befinden, beispielsweise morgens oder
während der Mittagsstunden. Sie führen dann Arbeiten durch, die außerhalb des
Nutzungsbetriebes liegen, wie dies auch heute bereits geschieht.
Das Gutachten führt zudem aus, dass Trends aus
Skandinavien, wo das Open-Library-Konzept schon seit Beginn der 2000er Jahre
verfolgt wird, zeigen, dass Open-Library-Stunden die Besucherzahlen zwar
ansteigen lassen, die Ausleih-, Rückgabe- und Besuchszahlen aber während der
Anwesenheit von Personal weiterhin am höchsten sind. Je öfter oder länger Personal also an der
Informationstheke sitzt oder durch tätige Anwesenheit auch für die Nutzer*innen
greifbar ist, desto attraktiver ist die Bücherei für die Bürger*innen ihrer
Stadt.
Beschlussvorschlag:
Der
Kulturausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.
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Der Bürgermeister gez. Langhard |