b) Beschluss über die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 8 Abs. 3 der TBS-Unternehmenssatzung (nur Rat)
Sachverhalt:
Auf Initiative des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V. (BdSt) wurde in 2020
ein Musterverfahren beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW)
eingeleitet, um eine Überprüfung der Berechnung von kalkulatorischen Zinsen zu erreichen.
Gebührenpflichtige in NRW wurden im Januar 2021 aufgerufen, Widerspruch gegen
die Jahresgebührenbescheide hinsichtlich der Schmutz- und
Niederschlagswassergebühren einzulegen.
Gegen
Gebührenbescheide der TBS wurden 2021 in 17 Fällen Widersprüche eingelegt. Die
angegriffenen Bescheide sind folglich nicht rechtskräftig. Wie bereits bekannt,
hat das OVG seine bisherige Rechtsauffassung in Bezug auf die Ermittlung
kalkulatorischer Zinssätze aufgegeben. Nach aufwändiger Auswertung der Inhalte
der OVG-Entscheidung insbesondere durch Fachleute des Städte- und
Gemeindebundes ergeben sich Änderungen zugunsten der Gebührenpflichtigen.
Derzeit ist das
OVG-Urteil wegen eines eingelegten Rechtsmittels noch nicht rechtskräftig. Nach
Meinung der Fachwelt wird jedoch davon ausgegangen, dass durch das
Bundesverwaltungsgericht als zuständiges Organ keine materiell-rechtlichen
Änderungen am OVG-Urteil vorgenommen werden. Die bereits eingeleitete Änderung
des KAG NRW wird voraussichtlich ab dem Veranlagungsjahr 2023 gelten und kann
somit für die nicht rechtskräftigen Bescheide aus 2021 nicht zugrunde gelegt
werden.
Nach sorgfältiger
Abwägung haben die TBS entschieden, eine Neukalkulation der Abwassergebühren
durchzuführen und eine Gebührensatzung mit Rückwirkung zu erlassen. Damit wäre
eine Rechtsgrundlage zur unverzüglichen Bearbeitung der Widersprüche sofort
nach Rechtskraft des OVG-Urteils geschaffen. Sollte das OVG-Urteil wider
Erwarten nicht bestätigt werden, wäre eine Aufhebung der Satzung ohne Nachteile
für alle Beteiligten möglich.
Neukalkulation
der Abwassergebühren
In Anwendung des
OVG-Urteils dürfen die kalkulatorischen Zinsen, sofern eine Abschreibung vom
Wiederbeschaffungszeitwert erfolgt, ausschließlich ohne Inflationsausgleich
berechnet werden. Dies gilt sowohl für das zu verzinsende Eigen- als auch
Fremdkapital. Zur Verzinsung des Eigenkapitals ist ein Durchschnitts-zinssatz
aus den letzten 10 Jahren (bisher 50 Jahre) der Emissionsrenditen für
festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten zugrunde zu
legen. Wegen der negativen Zinsentwicklung in diesem Zeitraum ergibt sich ein
negativer Durchschnittszinssatz. Bei der Berechnung der Fremdkapitalzinsen ist
die auf das Kalkulationsjahr bezogene Inflationsrate abzuziehen. Durch steigende
Lebenshal-tungskosten der letzten Jahre hat sich der Verbraucherpreisindex
proportional erhöht, so dass sich für den anzusetzenden Fremdkapitalzinssatz
ebenfalls ein negativer Wert ergibt. Aus Vereinfachungsgründen ist die
Festsetzung eines gewichteten Mischzinssatzes für das gesamte zu verzinsende
Anlagevermögen zulässig.
Der für 2021
ermittelte Zinssatz beläuft sich auf -0,33 %.
Nach den geltenden
gebührenrechtlichen Regelungen ist die Einrechnung von kalkulatorischer
Verzinsung in die Gebührenkalkulation nicht zwingend vorgeschrieben, daher wird
in der Neukalkulation 2021 hierauf verzichtet;
der Gebührenbedarf
reduziert sich um rd. 2,5 Mio €.
Im Falle einer
Neukalkulation sind nach einschlägiger Literatur (vgl. Queitsch in Kommentar zu
§ 6 KAG NRW, Rd.Nr. 13 letzter Absatz), soweit bekannt, die tatsächlich
entstandenen Kosten und Mengen anzusetzen. Die Neukalkulation basiert auf der
im Mai 2022 erstellten Betriebsabrechnung für 2021.
Die neu ermittelten
Gebührensätze der Schmutz- und Niederschlagswasser-beseitigung für
Verbandsmitglieder und übrige Benutzer mit Kanalanschluss weichen deutlich und
zugunsten der Gebührenpflichtigen von den ursprünglich kalkulierten Werten ab.
In den ursprünglichen Gebührensätzen für Gruben- und Kleinkläranlagen-benutzer
sind keine kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen enthalten, eine
Neukalkulation ist daher nicht erforderlich. Die Berechnung und
Gegenüberstellung der Gebührensätze ist der als Anlage 3 beigefügten
Kalkulation zu entnehmen.
Aus Gründen der
Kostenzuordnung mit Verteilungsschlüsseln sind die Kostenträger „Gruben“ und
„Kleinkläranlagen Grund- und Entsorgungsgebühr“ in der
Gebührenbedarfsberechnung (Anlage 2) zur Vollständigkeit mit aufgeführt.
Erläuterungen der
einzelnen Kostenpositionen mit Abweichungen zur ursprünglichen Kalkulation sind
in Anlage 4 dargestellt.
Rückwirkende
Gebührensatzung (Anlage 1)
Der Erlass einer
rückwirkenden Abgabensatzung ist nach höchstrichterlichen Rechtsgrundsätzen nur
in Ausnahmefällen zulässig und ist an hohe Anforderungen gebunden. Hierzu zählt
insbesondere der Vertrauensschutz der Abgabepflichtigen. Sofern die
rückwirkende Änderung eine begünstigende Wirkung bewirkt, wird der
Vertrauensschutz nicht beeinträchtigt.
Wie bereits
ausgeführt, führt die Neukalkulation für 2021 auf Basis des OVG-Urteils zu dem
Vorteil günstigerer Gebührensätze. Der Erlass einer rückwirkenden
Abwasser-gebührensatzung ist folglich zulässig und erfolgt im Rahmen einer
Nachtragssatzung. Der Geltungszeitraum wird auf das Veranlagungsjahr 2021 begrenzt.
Zu diesem Zweck wird in Artikel 3 der Nachtragssatzung das Inkrafttreten auf
den 01.01.2021 und das Außerkrafttreten auf den 31.12.2021 festgesetzt. Es ist
beabsichtigt, die Bekanntmachung der Nachtragssatzung bis zur Rechtskraft des
OVG-Urteils zurückzustellen.
Beschlussvorschlag für den Verwaltungsrat (zu a):
1. Der Neukalkulation und
Gebührenbedarfsberechnung auf Ist-Basis 2021 der Abwassergebühren in der Stadt
Schwelm wird zugestimmt.
2. Der 7. Nachtrag zur Satzung über die Erhebung
von Abwassergebühren in der Stadt Schwelm (Abwassergebührensatzung) für den
Zeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2021 gemäß dem Entwurf zu Vorlage 239/2022 wird
beschlossen.
3. Der Beschluss zu 2. steht unter dem
Vorbehalt, dass der Rat keine anderslautende Weisung erteilt.
Beschlussvorschlag für den Rat (zu b):
Der Rat der Stadt
Schwelm macht keinen Gebrauch von seinem Weisungsrecht gemäß § 8 Abs. 3 der
TBS-Unternehmenssatzung.
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Der Vorstand gezeichnet Ute Bolte |