Betreff
a) 7. Nachtrag zur Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren in der Stadt Schwelm (nur Verwaltungsrat)
b) Beschluss über die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 8 Abs. 3 der TBS-Unternehmenssatzung (nur Rat)
Vorlage
239/2022
Aktenzeichen
TBS-Rewe/Gp
Art
Beschlussvorlage der TBS

Sachverhalt:

Auf Initiative des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V. (BdSt) wurde in 2020 ein Musterverfahren beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) eingeleitet, um eine Überprüfung der Berechnung von kalkulatorischen Zinsen zu erreichen. Gebührenpflichtige in NRW wurden im Januar 2021 aufgerufen, Widerspruch gegen die Jahresgebührenbescheide hinsichtlich der Schmutz- und Niederschlagswassergebühren einzulegen.

 

Gegen Gebührenbescheide der TBS wurden 2021 in 17 Fällen Widersprüche eingelegt. Die angegriffenen Bescheide sind folglich nicht rechtskräftig. Wie bereits bekannt, hat das OVG seine bisherige Rechtsauffassung in Bezug auf die Ermittlung kalkulatorischer Zinssätze aufgegeben. Nach aufwändiger Auswertung der Inhalte der OVG-Entscheidung insbesondere durch Fachleute des Städte- und Gemeindebundes ergeben sich Änderungen zugunsten der Gebührenpflichtigen.

 

Derzeit ist das OVG-Urteil wegen eines eingelegten Rechtsmittels noch nicht rechtskräftig. Nach Meinung der Fachwelt wird jedoch davon ausgegangen, dass durch das Bundesverwaltungsgericht als zuständiges Organ keine materiell-rechtlichen Änderungen am OVG-Urteil vorgenommen werden. Die bereits eingeleitete Änderung des KAG NRW wird voraussichtlich ab dem Veranlagungsjahr 2023 gelten und kann somit für die nicht rechtskräftigen Bescheide aus 2021 nicht zugrunde gelegt werden.

Nach sorgfältiger Abwägung haben die TBS entschieden, eine Neukalkulation der Abwassergebühren durchzuführen und eine Gebührensatzung mit Rückwirkung zu erlassen. Damit wäre eine Rechtsgrundlage zur unverzüglichen Bearbeitung der Widersprüche sofort nach Rechtskraft des OVG-Urteils geschaffen. Sollte das OVG-Urteil wider Erwarten nicht bestätigt werden, wäre eine Aufhebung der Satzung ohne Nachteile für alle Beteiligten möglich.

 

Neukalkulation der Abwassergebühren

 

In Anwendung des OVG-Urteils dürfen die kalkulatorischen Zinsen, sofern eine Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert erfolgt, ausschließlich ohne Inflationsausgleich berechnet werden. Dies gilt sowohl für das zu verzinsende Eigen- als auch Fremdkapital. Zur Verzinsung des Eigenkapitals ist ein Durchschnitts-zinssatz aus den letzten 10 Jahren (bisher 50 Jahre) der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten zugrunde zu legen. Wegen der negativen Zinsentwicklung in diesem Zeitraum ergibt sich ein negativer Durchschnittszinssatz. Bei der Berechnung der Fremdkapitalzinsen ist die auf das Kalkulationsjahr bezogene Inflationsrate abzuziehen. Durch steigende Lebenshal-tungskosten der letzten Jahre hat sich der Verbraucherpreisindex proportional erhöht, so dass sich für den anzusetzenden Fremdkapitalzinssatz ebenfalls ein negativer Wert ergibt. Aus Vereinfachungsgründen ist die Festsetzung eines gewichteten Mischzinssatzes für das gesamte zu verzinsende Anlagevermögen zulässig.

Der für 2021 ermittelte Zinssatz beläuft sich auf -0,33 %.

 

Nach den geltenden gebührenrechtlichen Regelungen ist die Einrechnung von kalkulatorischer Verzinsung in die Gebührenkalkulation nicht zwingend vorgeschrieben, daher wird in der Neukalkulation 2021 hierauf verzichtet;

der Gebührenbedarf reduziert sich um rd. 2,5 Mio €.

 

Im Falle einer Neukalkulation sind nach einschlägiger Literatur (vgl. Queitsch in Kommentar zu § 6 KAG NRW, Rd.Nr. 13 letzter Absatz), soweit bekannt, die tatsächlich entstandenen Kosten und Mengen anzusetzen. Die Neukalkulation basiert auf der im Mai 2022 erstellten Betriebsabrechnung für 2021.

 

Die neu ermittelten Gebührensätze der Schmutz- und Niederschlagswasser-beseitigung für Verbandsmitglieder und übrige Benutzer mit Kanalanschluss weichen deutlich und zugunsten der Gebührenpflichtigen von den ursprünglich kalkulierten Werten ab. In den ursprünglichen Gebührensätzen für Gruben- und Kleinkläranlagen-benutzer sind keine kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen enthalten, eine Neukalkulation ist daher nicht erforderlich. Die Berechnung und Gegenüberstellung der Gebührensätze ist der als Anlage 3 beigefügten Kalkulation zu entnehmen.

 

Aus Gründen der Kostenzuordnung mit Verteilungsschlüsseln sind die Kostenträger „Gruben“ und „Kleinkläranlagen Grund- und Entsorgungsgebühr“ in der Gebührenbedarfsberechnung (Anlage 2) zur Vollständigkeit mit aufgeführt.

 

Erläuterungen der einzelnen Kostenpositionen mit Abweichungen zur ursprünglichen Kalkulation sind in Anlage 4 dargestellt.

 

Rückwirkende Gebührensatzung (Anlage 1)

 

Der Erlass einer rückwirkenden Abgabensatzung ist nach höchstrichterlichen Rechtsgrundsätzen nur in Ausnahmefällen zulässig und ist an hohe Anforderungen gebunden. Hierzu zählt insbesondere der Vertrauensschutz der Abgabepflichtigen. Sofern die rückwirkende Änderung eine begünstigende Wirkung bewirkt, wird der Vertrauensschutz nicht beeinträchtigt.

Wie bereits ausgeführt, führt die Neukalkulation für 2021 auf Basis des OVG-Urteils zu dem Vorteil günstigerer Gebührensätze. Der Erlass einer rückwirkenden Abwasser-gebührensatzung ist folglich zulässig und erfolgt im Rahmen einer Nachtragssatzung. Der Geltungszeitraum wird auf das Veranlagungsjahr 2021 begrenzt. Zu diesem Zweck wird in Artikel 3 der Nachtragssatzung das Inkrafttreten auf den 01.01.2021 und das Außerkrafttreten auf den 31.12.2021 festgesetzt. Es ist beabsichtigt, die Bekanntmachung der Nachtragssatzung bis zur Rechtskraft des OVG-Urteils zurückzustellen.

 


Beschlussvorschlag für den Verwaltungsrat (zu a):

1.    Der Neukalkulation und Gebührenbedarfsberechnung auf Ist-Basis 2021 der Abwassergebühren in der Stadt Schwelm wird zugestimmt.

2.    Der 7. Nachtrag zur Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren in der Stadt Schwelm (Abwassergebührensatzung) für den Zeitraum 01.01.2021 bis 31.12.2021 gemäß dem Entwurf zu Vorlage 239/2022 wird beschlossen.

3.    Der Beschluss zu 2. steht unter dem Vorbehalt, dass der Rat keine anderslautende Weisung erteilt.

 

Beschlussvorschlag für den Rat (zu b):

Der Rat der Stadt Schwelm macht keinen Gebrauch von seinem Weisungsrecht gemäß § 8 Abs. 3 der TBS-Unternehmenssatzung.

 


 

 

 

Der Vorstand

gezeichnet

Ute Bolte