Betreff
Digitales Archiv NRW / Langzeitarchivierung
Vorlage
068/2017
Aktenzeichen
FB 7 To
Art
Berichtsvorlage

Sachverhalt:

 

Langzeitarchivierung als kommunale Pflichtaufgabe

 

Der Wandel zur Informationsgesellschaft macht auch vor den Archiven nicht halt. In unseren Verwaltungen werden bereits seit den achtziger Jahren in immer größerem Maße elektronische Unterlagen erstellt, die von den zuständigen Archiven langfristig zu sichern sind. Da die Archive die langfristige Nutzbarkeit der gespeicherten Daten sicherzustellen haben, müssen sie sich bereits bei der Einführung elektronischer Systeme (Vorgangsbearbeitungssysteme, Fachverfahren, etc.) einbringen. Dabei benennen die Archive einerseits die zur Archivierung geeigneten Dateiformate, in denen Unterlagen gespeichert werden können, andererseits arbeiten sie bei der Erstellung der geeigneten Ordnungsstrukturen (Aktenpläne, Fristenkataloge, Schriftgutverwaltung allg.) entsprechend mit.

 

Gleichzeitig wird es immer wichtiger, die eigenen Erschließungsleistungen in Form von elektronischen Beständeübersichten und Online-Findbüchern im Internet bereit zu stellen. Nur so können Archive sicherstellen, auch weiterhin als Wissensspeicher neben Bibliotheken und Museen wahrgenommen zu werden. Die digitale Bereitstellung von Archivgut im Lesesaal und auch im Internet ist längst keine Vision mehr, sondern in vielen Archiven bereits Wirklichkeit.

 

So ist seit vielen Jahren jedem, der sich mit dem Thema "Datenverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung" beschäftigt, klar, dass inzwischen so große Bereiche der täglichen Arbeit computergestützt laufen, dass hier im großen Stil langfristig zu erhaltende Informationen entstehen: Elektronisches Archivgut.

 

Im Rahmen der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen können diese Daten mit Systemen zur Langzeitspeicherung vorgehalten werden (Dokumentenmanagementsysteme, kurz: DMS), die sich u.a. an den Technischen Richtlinien des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) orientieren. Viele DMS-Hersteller werben mit entsprechenden Referenzen und dem Schlagwort der sog. „Revisionssicheren Speicherung“. Tatsächlich sind die Systeme in der Lage, durch entsprechende redundante Speichersysteme und oft durch Verschlüsselungs- und Signaturverfahren die Datenintegrität und -authentizität für einen definierten Zeitraum sicherzustellen. Doch was passiert nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen?

 

Nach Ende der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist beginnt der Einsatzbereich der Elektronischen Langzeitarchivierung. Auch hier werden vergleichbare Speichersysteme eingesetzt, die die Nullen und Einsen des Bitflusses an ihren Stellen halten (Bitstream Preservation). Statt elektronischer Signaturen werden für den langfristigen Authentizitätsnachweis alle Bearbeitungs- und Veränderungsschritte an den abgelegten Informationen protokolliert und dokumentiert. Die zu erhaltenden Primärdaten werden mit allen zum Verständnis notwendigen Metadaten und diesen Prozessdaten in Archivinformationspakete - sog. AIPs - verpackt. Statt an den BSI-Richtlinien orientiert man sich am international anerkannten, durch die NASA erarbeiteten ISO-Standard 14721:2012 "Open Archival Information System" bzw. „Offenes Archiv-Informations-System“ (OAIS).

 

Die EDV-Anfänge reichen bei den meisten Kommunalverwaltungen bis in die 60er/70er Jahren zurück. Das damalige Ziel war eine effektive Aufgabenerledigung, während nicht an eine spätere Aussonderungsmöglichkeit ans Archiv und die Langzeitsicherung der erhobenen Daten gedacht war. Es entwickelten sich Spezialsoftwaren, die eine Fachaufgabe oder eine Reihe verwandter Fachaufgaben vereinfachten, indem sie z.B. interne Berechnungen durchführten, bestimmte Voraussetzungen prüften und schließlich die Bescheiderstellung unterstützten. Im Laufe der Entwicklung haben viele der Programme »Archivfunktionen« eingeführt, durch die nicht mehr für den aktuellen Betrieb benötigte Daten ausgelagert werden können. Manche Fachanwendungen verknüpfen dies sogar mit Löschroutinen für diese Altdaten.

 

Obwohl das Nordrhein-Westfälische Archivgesetz schon in der ersten Fassung von 1989 auch elektronische Daten und die zur Auswertung und zum Verständnis notwendigen Hilfsmittel für anbietungspflichtig deklarierte, konnten sich die meisten Archivarinnen und Archivare wenig um die dort entstehenden Unterlagen kümmern. Neben der Tatsache, dass es schlicht keine geeigneten elektronischen Aufbewahrungsmöglichkeiten gab,  galt bei den meisten das Credo: »Alles Wichtige kommt auf Papier!«. Auf diese Weise sind erhebliche Bewertungs- und Übernahmerückstände entstanden, zu denen u.a. archivwürdige Bestände wie das Einwohnermeldewesen oder das Gewerberegister gehören.

 

Digitales Archiv NRW

Die Erstellung von eigenen Fachkonzepten zum Aufbau von Langzeitarchiven, die Begleitung von Programmierung, Tests und Abnahmen – diese hochkomplexen und teuren Aufgaben überfordern viele kleine, mittelgroße und auch viele größere Kommunalarchive. In NRW gibt es deshalb seit einigen Jahren die Arbeitsgemeinschaft „Digitales Archiv NRW“ (DA NRW) zwischen Land und dem Rechenzentrumsverbund KDN, dem Zusammenschluss der kommunalen Rechenzentren in NRW. Hierüber werden den Kommunalarchiven Angebote für die Nutzung von Verbundlösungen zur elektronischen Langzeitarchivierung gemacht und geeignete Hilfsmittel zur digitalen Archivierung angeboten.

 

DiPS.kommunal

Das LWL-Archivamt für Westfalen hat dabei zusammen mit der LWL.IT Service Abteilung und dem Historischen Archiv und dem Amt für Informationsverarbeitung der Stadt Köln die mandantenfähige Verbundlösung DiPS.kommunal (Digital Preservation Solution = Digitale Langzeitarchivierungslösung) in die Arbeitsgemeinschaft eingebracht. Durch eine Teilnahme an DiPS.kommunal erhalten die westfälischen Archive ein hochsicheres elektronisches Langzeitarchiv, in dem über halbautomatisierte Schnittstellen elektronische Verwaltungsdaten, aber auch städtische Datensammlungen (z.B. die digitalen Fotos der Pressestelle) archiviert werden können. Um die westfälischen Archive bei der Einführung eines elektronischen Langzeitarchivs fachlich angemessen beraten und unterstützen zu können, wurden mit Hilfe des Landes NRW entsprechende Stellen beim LWL-Archivamt für Westfalen und bei der LWL.IT-Service-Abteilung geschaffen.

(Quelle: LWL-Archivamt für Westfalen)

 

Das Archiv der Stadt Schwelm wird dieses Angebot annehmen und an der Verbundlösung DiPS.kommunal teilnehmen, um die digitale Langzeitarchivierung nachhaltig, gesetzeskonform und in professionellem Kontext sicherzustellen. Der diesbezügliche Vertrag ist jährlich kündbar.

 

Die jährlichen Kosten für die beschriebenen Dienstleistungen belaufen sich ab 2018 auf 19.100 Euro, im Preis enthalten sind dabei u.a. 500 GB Speicherplatz. Die entsprechenden Mittel sind noch zu veranschlagen.

Für das Jahr 2017 fallen aufgrund des Jahresfortschritts voraussichtlich die hälftigen Aufwendungen, also 9.500 Euro an und werden überplanmäßig bei HHSt. 01.01.14.523200 (neu: Erstattung von Aufwendungen von Dritten aus laufender Verwaltungstätigkeit) bereitgestellt. Die Deckung erfolgt durch Minderaufwand bei HHSt. 10.01.01.529100 (Aufwendungen für sonstige Dienstleistungen).

Die einmalige Reduzierung durch Fördermittel im Anschaffungsjahr wird aktuell geprüft.

 

 

Rechtsgrundlagen:

NRW Archivgesetz in der Fassung vom 30. September 2014 (durch § 10 (5) aufs kommunale Archivwesen übertragen):

 

 §2 (1): elektronische Aufzeichnungen sind „Unterlagen“ und unterliegen der Anbietungspflicht.

 

 § 2 (6): Die Auswahl der archivwürdigen Unterlagen erfolgt nach fachlichen Kriterien durch das zuständige Archiv.

 

 § 5 (2): Elektronisches Archivgut ist “in seiner Entstehungsform” – also elektronisch aufzubewahren.

 

 § 4 (1): “Elektronische Unterlagen, die einer laufenden Aktualisierung unterliegen” sind anzubieten (d.h. fortlaufend aktualisierte Datenbanken, Webseiten etc.).

 

§ 4 (1): Archive sind ermächtigt, “auf Verlangen zur Feststellung der Archivwürdigkeit Einsicht in die Unterlagen und die dazu gehörigen Hilfsmittel und ergänzenden Daten” zu nehmen.

 

§ 4 (2): Es sind alle – auch personenbezogene Daten und die, die einem “Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis oder sonstigen Rechtsvorschriften über die Geheimhaltung unterliegen” – anbietungspflichtig.

 

 § 3 (6): Austauschformate, in denen archivwürdige Unterlagen an die Archive übergeben werden – so nicht übergreifend standardisiert – Einvernehmen mit dem Archiv bestehen muss.

 

§ 3 (6): Das Archiv ist bei der Einführung neuer Software, aus der archivrelevante Unterlagen entstehen können, zu beteiligen.

 


Beschlussvorschlag:

 

Der Inhalt der Vorlage wird zur Kenntnis genommen.

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Die finanziellen Auswirkungen ergeben sich aus vorstehendem Sachverhalt.

 

 

 

Die Bürgermeisterin

gez. Grollmann