Sachverhalt:
Langzeitarchivierung als kommunale Pflichtaufgabe
Der Wandel zur Informationsgesellschaft macht auch vor den Archiven nicht
halt. In unseren Verwaltungen werden bereits seit den achtziger Jahren in immer
größerem Maße elektronische Unterlagen erstellt, die von den zuständigen
Archiven langfristig zu sichern sind. Da die Archive die langfristige
Nutzbarkeit der gespeicherten Daten sicherzustellen haben, müssen sie sich
bereits bei der Einführung elektronischer Systeme (Vorgangsbearbeitungssysteme,
Fachverfahren, etc.) einbringen. Dabei benennen die Archive einerseits die zur
Archivierung geeigneten Dateiformate, in denen Unterlagen gespeichert werden
können, andererseits arbeiten sie bei der Erstellung der geeigneten
Ordnungsstrukturen (Aktenpläne, Fristenkataloge, Schriftgutverwaltung allg.)
entsprechend mit.
Gleichzeitig wird es immer wichtiger, die eigenen Erschließungsleistungen
in Form von elektronischen Beständeübersichten und Online-Findbüchern im
Internet bereit zu stellen. Nur so können Archive sicherstellen, auch weiterhin
als Wissensspeicher neben Bibliotheken und Museen wahrgenommen zu werden. Die
digitale Bereitstellung von Archivgut im Lesesaal und auch im Internet ist
längst keine Vision mehr, sondern in vielen Archiven bereits Wirklichkeit.
So ist seit vielen Jahren jedem, der sich mit dem Thema
"Datenverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung" beschäftigt, klar,
dass inzwischen so große Bereiche der täglichen Arbeit computergestützt laufen,
dass hier im großen Stil langfristig zu erhaltende Informationen entstehen:
Elektronisches Archivgut.
Im Rahmen der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen können diese Daten mit
Systemen zur Langzeitspeicherung vorgehalten werden
(Dokumentenmanagementsysteme, kurz: DMS), die sich u.a. an den Technischen
Richtlinien des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik)
orientieren. Viele DMS-Hersteller werben mit entsprechenden Referenzen und dem
Schlagwort der sog. „Revisionssicheren Speicherung“. Tatsächlich sind die
Systeme in der Lage, durch entsprechende redundante Speichersysteme und oft
durch Verschlüsselungs- und Signaturverfahren die Datenintegrität und
-authentizität für einen definierten Zeitraum sicherzustellen. Doch was
passiert nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen?
Nach Ende der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist beginnt der Einsatzbereich
der Elektronischen Langzeitarchivierung. Auch hier werden vergleichbare
Speichersysteme eingesetzt, die die Nullen und Einsen des Bitflusses an ihren
Stellen halten (Bitstream Preservation). Statt elektronischer Signaturen werden
für den langfristigen Authentizitätsnachweis alle Bearbeitungs- und
Veränderungsschritte an den abgelegten Informationen protokolliert und
dokumentiert. Die zu erhaltenden Primärdaten werden mit allen zum Verständnis
notwendigen Metadaten und diesen Prozessdaten in Archivinformationspakete -
sog. AIPs - verpackt. Statt an den BSI-Richtlinien orientiert man sich am
international anerkannten, durch die NASA erarbeiteten ISO-Standard 14721:2012
"Open Archival Information System" bzw. „Offenes
Archiv-Informations-System“ (OAIS).
Die EDV-Anfänge reichen bei den meisten Kommunalverwaltungen bis in die
60er/70er Jahren zurück. Das damalige Ziel war eine effektive
Aufgabenerledigung, während nicht an eine spätere Aussonderungsmöglichkeit ans
Archiv und die Langzeitsicherung der erhobenen Daten gedacht war. Es
entwickelten sich Spezialsoftwaren, die eine Fachaufgabe oder eine Reihe
verwandter Fachaufgaben vereinfachten, indem sie z.B. interne Berechnungen
durchführten, bestimmte Voraussetzungen prüften und schließlich die
Bescheiderstellung unterstützten. Im Laufe der Entwicklung haben viele der
Programme »Archivfunktionen« eingeführt, durch die nicht mehr für den aktuellen
Betrieb benötigte Daten ausgelagert werden können. Manche Fachanwendungen
verknüpfen dies sogar mit Löschroutinen für diese Altdaten.
Obwohl das Nordrhein-Westfälische Archivgesetz schon in der ersten
Fassung von 1989 auch elektronische Daten und die zur Auswertung und zum
Verständnis notwendigen Hilfsmittel für anbietungspflichtig deklarierte,
konnten sich die meisten Archivarinnen und Archivare wenig um die dort
entstehenden Unterlagen kümmern. Neben der Tatsache, dass es schlicht keine
geeigneten elektronischen Aufbewahrungsmöglichkeiten gab, galt bei den meisten das Credo: »Alles Wichtige
kommt auf Papier!«. Auf diese Weise sind erhebliche Bewertungs- und
Übernahmerückstände entstanden, zu denen u.a. archivwürdige Bestände wie das
Einwohnermeldewesen oder das Gewerberegister gehören.
Digitales Archiv NRW
Die Erstellung von eigenen Fachkonzepten zum Aufbau von Langzeitarchiven,
die Begleitung von Programmierung, Tests und Abnahmen – diese hochkomplexen und
teuren Aufgaben überfordern viele kleine, mittelgroße und auch viele größere
Kommunalarchive. In NRW gibt es deshalb seit einigen Jahren die
Arbeitsgemeinschaft „Digitales Archiv NRW“ (DA NRW) zwischen Land und dem
Rechenzentrumsverbund KDN, dem Zusammenschluss der kommunalen Rechenzentren in
NRW. Hierüber werden den Kommunalarchiven Angebote für die Nutzung von
Verbundlösungen zur elektronischen Langzeitarchivierung gemacht und geeignete
Hilfsmittel zur digitalen Archivierung angeboten.
DiPS.kommunal
Das LWL-Archivamt für Westfalen hat dabei zusammen mit der LWL.IT Service
Abteilung und dem Historischen Archiv und dem Amt für Informationsverarbeitung
der Stadt Köln die mandantenfähige Verbundlösung DiPS.kommunal (Digital
Preservation Solution = Digitale Langzeitarchivierungslösung) in die
Arbeitsgemeinschaft eingebracht. Durch eine Teilnahme an DiPS.kommunal erhalten
die westfälischen Archive ein hochsicheres elektronisches Langzeitarchiv, in
dem über halbautomatisierte Schnittstellen elektronische Verwaltungsdaten, aber
auch städtische Datensammlungen (z.B. die digitalen Fotos der Pressestelle)
archiviert werden können. Um die westfälischen Archive bei der Einführung eines
elektronischen Langzeitarchivs fachlich angemessen beraten und unterstützen zu
können, wurden mit Hilfe des Landes NRW entsprechende Stellen beim
LWL-Archivamt für Westfalen und bei der LWL.IT-Service-Abteilung geschaffen.
(Quelle: LWL-Archivamt für Westfalen)
Das Archiv der Stadt Schwelm wird dieses Angebot annehmen und an der
Verbundlösung DiPS.kommunal teilnehmen, um die digitale Langzeitarchivierung
nachhaltig, gesetzeskonform und in professionellem Kontext sicherzustellen. Der
diesbezügliche Vertrag ist jährlich kündbar.
Die jährlichen Kosten für die beschriebenen Dienstleistungen belaufen
sich ab 2018 auf 19.100 Euro, im Preis enthalten sind dabei u.a. 500 GB
Speicherplatz. Die entsprechenden Mittel sind noch zu veranschlagen.
Für das Jahr 2017 fallen aufgrund des Jahresfortschritts voraussichtlich
die hälftigen Aufwendungen, also 9.500 Euro an und werden überplanmäßig bei
HHSt. 01.01.14.523200 (neu: Erstattung von Aufwendungen von Dritten aus
laufender Verwaltungstätigkeit) bereitgestellt. Die Deckung erfolgt durch
Minderaufwand bei HHSt. 10.01.01.529100 (Aufwendungen für sonstige
Dienstleistungen).
Die einmalige Reduzierung durch Fördermittel im Anschaffungsjahr wird
aktuell geprüft.
Rechtsgrundlagen:
NRW Archivgesetz in der Fassung vom 30. September 2014 (durch § 10 (5)
aufs kommunale Archivwesen übertragen):
§2 (1): elektronische
Aufzeichnungen sind „Unterlagen“ und unterliegen der Anbietungspflicht.
§ 2 (6): Die Auswahl der
archivwürdigen Unterlagen erfolgt nach fachlichen Kriterien durch das
zuständige Archiv.
§ 5 (2): Elektronisches Archivgut
ist “in seiner Entstehungsform” – also elektronisch aufzubewahren.
§ 4 (1): “Elektronische
Unterlagen, die einer laufenden Aktualisierung unterliegen” sind anzubieten
(d.h. fortlaufend aktualisierte Datenbanken, Webseiten etc.).
§ 4 (1): Archive sind ermächtigt, “auf Verlangen zur Feststellung der
Archivwürdigkeit Einsicht in die Unterlagen und die dazu gehörigen Hilfsmittel
und ergänzenden Daten” zu nehmen.
§ 4 (2): Es sind alle – auch personenbezogene Daten und die, die einem
“Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis oder sonstigen Rechtsvorschriften über
die Geheimhaltung unterliegen” – anbietungspflichtig.
§ 3 (6): Austauschformate, in
denen archivwürdige Unterlagen an die Archive übergeben werden – so nicht
übergreifend standardisiert – Einvernehmen mit dem Archiv bestehen muss.
§ 3 (6): Das Archiv ist bei der Einführung neuer Software, aus der
archivrelevante Unterlagen entstehen können, zu beteiligen.
Beschlussvorschlag:
Der Inhalt der
Vorlage wird zur Kenntnis genommen.
Finanzielle Auswirkungen:
Die finanziellen Auswirkungen ergeben sich aus vorstehendem Sachverhalt.
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Die Bürgermeisterin
gez. Grollmann |