Sachverhalt:
Einleitung:
Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand beschäftigt insbesondere die
Rechtsprechung seit Jahren. Im bundesdeutschen Umsatzsteuerrecht war für eine
potenzielle Umsatzsteuerpflicht das Vorliegen eines Betriebes gewerblicher
Art (BgA) maßgeblich. Die ausschließliche Vermögensverwaltung und
der Hoheitsbetrieb unterlagen nicht der Umsatzsteuer.
Demgegenüber wurde auf europäischer Ebene vordergründig der Gedanke des Wettbewerbs
in die Entscheidung möglicher Umsatzsteuerpflicht einbezogen. Hieraus folgend
urteilte u. a. der Bundesfinanzhof (BFH) im November 2011, dass die
entgeltliche Nutzungsüberlassung einer gemeindlichen Sporthalle an eine andere
Gemeinde der Umsatzsteuer unterliege und sah die Unternehmereigenschaft der
Gemeinde als gegeben an. Weitere Urteile verfolgten dieselbe Zielrichtung.
Es wurde daraufhin politisch insbesondere darüber diskutiert, inwieweit
und unter welchen Voraussetzungen die öffentliche Aufgabenerfüllung und die
interkommunale Zusammenarbeit zukünftig umsatzsteuerfrei erfolgen könne.
Neuregelung und Einführung des
§ 2 b UStG:
Im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2015 wurde u. a. ein neuer § 2 b
UStG eingeführt. Diese Vorschrift orientiert sich eng an europäischen
Vorschriften, namentlich an Art. 13 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.
Sofern die juristische Person des öffentlichen Rechts (nachfolgend:
jPdöR) auf privatrechtlicher Grundlage
(durch Vertrag) tätig ist, erfüllt sie zukünftig die Unternehmereigenschaft. Hier erfolgt prinzipiell eine
Gleichstellung mit privaten Wirtschaftsakteuren.
Die Unternehmereigenschaft ist nicht erfüllt, sofern
·
die
jPdöR Tätigkeiten im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt ausübt und
·
die
Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.
Von einer Tätigkeit
im Rahmen der Ausübung öffentlicher
Gewalt ist grundsätzlich auszugehen, wenn die jeweilige jPdöR im Rahmen
öffentlich-rechtlicher Regelungen tätig wird, die für private Dritte nicht
gelten können, also durch Verwaltungsakt, auf Grundlage eines Staatsvertrages
oder auf Grundlage besonderer kirchenrechtlicher Regelungen.
Die Nichtbesteuerung darf aber auch bei Tätigkeiten in Ausübung
öffentlicher Gewalt nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen. Diese
liegen insbesondere nicht vor, wenn
·
der
erzielte Umsatz im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten voraussichtlich
jeweils 17.500 € nicht übersteigen wird oder
·
vergleichbare,
auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§
9 UStG) einer Steuerbefreiung unterliegen.
Der erste Fall beinhaltet eine „Kleinunternehmerregelung“, wobei noch
auslegungsbedürftig sein wird, was „gleichartige Tätigkeiten“ sind.
Im zweiten Fall soll die jPdöR genauso wie ein Unternehmer gestellt
werden, der in den vorliegenden Fällen nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist.
Hinzuweisen ist noch darauf, dass auch weitere, nicht genannte Kriterien
erfüllt sein könnten, um „größere Wettbewerbsverzerrungen“ festzustellen
(…insbesondere…), wobei bereits das Tatbestandsmerkmal der „größeren“
Wettbewerbsverzerrungen auslegungsbedürftig ist.
§ 2 b Abs. 3 UStG regelt das Nichtvorliegen größerer
Wettbewerbsverzerrungen bei Leistungen an eine andere jPdöR. Sie liegen
insbesondere nicht vor, wenn
·
die
Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen,
·
die
Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer
allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen,
·
die
Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und
·
der
Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische
Personen des öffentlichen Rechts erbringt.
Sämtliche Voraussetzungen müssen gleichzeitig bzw. nebeneinander erfüllt
sein!
§ 2 b Abs. 4 UStG führt Tätigkeiten auf, bei der die jPdöR immer als
Unternehmerin gilt. Diese sind für die TBS nach erster Einschätzung nicht
relevant.
Die neuen Regelungen gelten ab
dem 1.1.2017. Das bisherige Recht kann aber gemäß § 27 Abs. 22 UStG bis zum
31.12.2020 angewendet werden. Hierzu
muss dem Finanzamt einmalig eine entsprechende Erklärung bis zum 31.12.2016 abgegeben werden. Vor dem
31.12.2020 kann diese Erklärung mit Wirkung zu Beginn des neuen Kalenderjahres
widerrufen werden. Wendet die jPdöR das neue Recht an, ist eine Rückkehr zum
alten Rechtsstand nicht mehr möglich.
Vorläufige Einschätzung:
Die neuen Regelungen sind an vielen Stellen auslegungsbedürftig. Es wird
erwartet, dass ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
veröffentlicht wird, das der Aufklärung dienen soll.
Ebenso unklar ist, ob die Neuregelungen seitens der EU überprüft und
ggf. als nicht EU-rechtskonform angesehen werden.
Für die TBS haben die neuen Regelungen nach vorläufiger Einschätzung
folgende Konsequenzen:
a)
Sämtliche
privatrechtlichen Einnahmen sind
umsatzsteuerbar. Sofern keine Steuerbefreiungstatbestände vorliegen,
unterliegen sie der Umsatzsteuer. Zu den privatrechtlichen Einnahmen zählen u.
a. Mieten, Pachten und Entgelte.
b)
Im
Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit
kann Umsatzsteuerpflicht entstehen. § 2 b Abs. 3 UStG ist an vielen
Stellen auslegungsbedürftig, wie nachfolgende, beispielhafte Fragen
verdeutlichen:
- Was sind langfristige
öffentlich-rechtliche Vereinbarungen?
- Wie weit ist die Voraussetzung „einer allen
Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe“ auszulegen?
- Wie berechnet sich die Kostenerstattung?
- Wie ist die Wesentlichkeitsgrenze
zu definieren?
Nach bisheriger Einschätzung dürften z. B.
Leistungen im Rahmen der Kooperation mit den TBGev zukünftig
umsatzsteuerpflichtig sein.
c)
Die
Leistungen zwischen der Stadt und den
TBS könnten umsatzsteuerpflichtig werden. Die TBS sind als Anstalt
öffentlichen Rechts rechtlich selbstständig. An dieser Stelle wird deutlich,
dass der Gesetzgeber die Leistungsbeziehungen zwischen jPdöR innerhalb einer
Stadt - unbewusst? – nicht berücksichtigt hat.
Kritisch sind hier insbesondere die so
genannten verwaltungsunterstützenden
Hilfstätigkeiten zu sehen, die nur mittelbar der hoheitlichen
Aufgabenerfüllung dienen. In der Bundestagsdrucksache 18/6094 werden auf S. 75
die Tätigkeiten der Gebäudereinigung, der Grünpflegearbeiten sowie der Neubau
und die Sanierung von Straßen und Gebäuden genannt. Das Finanzministerium des
Landes NRW griff diese Tätigkeiten im Rahmen der Vorlage 16/3316 an den
Ausschuss für Kommunalpolitik auf und bestätigte die Umsatzsteuerpflicht obiger
Leistungen.
Aus dem Wortlaut des Gesetzes und dem
Beratungsverlauf laut obiger BT-Drucksache wird deutlich, dass der Gesetzgeber
vorrangig mögliche Steuerbefreiungen im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit
im Fokus hatte.
Ebenso lässt sich die Frage, ob z. B. die
Aufgabe der Grünflächenpflege in Schwelm eine „allen Beteiligten obliegenden
öffentlichen Aufgabe“ darstellt oder eine originär städtische Aufgabe den TBS
„nur“ zur (eigenverantwortlichen) Durchführung (hier per Satzung) übertragen
worden ist, mit Blick auf die Auslegungsbedürftigkeit des § 2 b Abs. 3 UStG
nicht abschließend beantworten.
Nach bisheriger Einschätzung ist es
wahrscheinlich, dass derartige Leistungen zukünftig umsatzsteuerpflichtig sind
mit der Folge, dass der städtische Haushalt zusätzlich belastet würde. Diese
Mehrbelastung beträgt voraussichtlich – basierend auf den Verrechnungen der
Vorjahre – ca. 500 T€.
Verfahrensvorschlag:
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehen noch
zahlreiche Rechtsunsicherheiten. Die kommunale Ebene erwartet nähere
Erläuterungen und Auslegungen zum § 2 b UStG seitens des BMF.
Nach bisheriger Einschätzung des Vorstands
liegt für die Leistungserbringung außerhalb der Gebührenbereiche eine
potenzielle Steuerpflicht vor. Nach Veröffentlichung des BMF-Schreibens ist die
Sicht zu verifizieren.
Da nach der vorläufigen Einschätzung von
einer deutlichen Mehrbelastung des städtischen Haushalts durch die
Neuregelungen auszugehen ist, ist die Erklärung auf Beibehaltung des alten
Rechtsstandes rechtzeitig vor dem 31.12.2016 gegenüber dem Finanzamt abzugeben.
Innerhalb des Übergangszeitraums wird der
Vorstand untersuchen, inwieweit rechtliche oder organisatorische
Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung zusätzlicher Haushaltsbelastungen bestehen.
Beschlussvorschlag:
Der Vorstand wird beauftragt, die Optionserklärung gemäß § 27
Absatz 22 UStG auf Beibehaltung des alten Rechtsstandes bzgl. der
Umsatzsteuerpflicht rechtzeitig vor dem 31.12.2016 gegenüber dem Finanzamt
abzugeben.
|
Der Vorstand gezeichnet Markus Flocke |