Sachverhalt:
Mit Schreiben vom
25.11.15 haben die Fraktionen von CDU, Bündnis90/Die Grünen, FDP und SWG/BfS
beantragt, den Ausbau und die Stärkung freier WLAN-Netze in der Stadt zu
prüfen, sowie darzustellen, welcher personelle und finanzielle Aufwand
erforderlich ist.
Es bestehen prinzipiell drei Möglichkeiten, dem Bürger kostenfrei WLAN zur
Verfügung zu stellen.
1) Stadt oder Werbegemeinschaft als
Vertragspartner
Die Stadt oder die Werbegemeinschaft werden Vertragspartner eines
kommerziellen Anbieters. Dieser stellt nach Vorgabe an bestimmten Standorten
(Fußgängerzone) WLAN kostenlos zur Verfügung. Der Anbieter ermittelt optimale
Sendepunkte in einem abgegrenzten Bereich. Er stellt entsprechende Hardware
zur Verfügung, bietet den Internetzugang in definierter Bandbreite an und
übernimmt die Haftung bei Missbrauch des Systems. Die Stadt oder ein anderer
Vertragspartner zahlt als Gegenleistung einen bestimmten Betrag. Er hat dann
auch das Recht, die Infrastruktur zu vermarkten.
Die werbefinanzierte Variante läuft ähnlich wie vor. Es entstehen geringere
Kosten, weil Unternehmen unmittelbar einen Teil der Kosten übernehmen.
Bei dieser Alternative entstehen Kosten im fünfstelligen Bereich für die
Investition sowie Kosten für den laufenden Betrieb. Aufgrund der Haushaltslage
kann die Stadt diese Investition als freiwillige Leistung nicht vornehmen. Auch
der Werbegemeinschaft stehen Mittel dafür nicht zur Verfügung.
2) Wer durch die Fußgängerzone in Schwelm geht,
hat schon jetzt an einigen Stellen die Möglichkeit kostenlos ins Internet zu
gelangen. Dies ist auf unterschiedliche Weise möglich:
Zum Teil betreiben Geschäftsleute Zugänge ins Internet (Accesspoints) über
kommerzielle Internetprovider, wie Telekom, Unity Media oder ähnlich. Wer über
diesen Zugang ins Internet gehen, muss sich beim jeweiligen Provider anmelden.
Er bestätigt dessen AGBs und gelangt anschließend in der Regel auf eine
Werbeseite („landingpage“) des Betreibers, der dort Angebote oder Werbung
einstellt. Der Betreiber zahlt in der Regel monatlich einen bestimmten Betrag
an den Provider. Der Provider übernimmt als Gegenleistung die Störerhaftung und
schränkt ggf. den Umfang des Zugriffs sowohl zeitlich wie inhaltlich ein. Der
Nutzer kann WLAN kostenlos nutzen, allerdings in der Regel mit zeitlichen
Einschränkungen.
3) Zum anderen besteht die Möglichkeit über den
sog. „Freifunk“ ins Internet zu gelangen. Per Freifunk gelangt man ohne weitere
Zwischenschritte unmittelbar ins Internet. Der Interessent eines
Freifunk-Zugangs beschafft zu einmaligen Kosten zwischen 20 und 70 € einen
Router und stellt einen Teil der Bandbreite seines eigenen DSL-Anschlusses zu
diesem Zweck dem Freifunk zur Verfügung. Dies ist im Router einstellbar. Damit
wird dieser Zugang ein Teil des Freifunknetzes.
Freifunk hat die Vision einer egalitären, freiheitlichen Kommunikationsstruktur
als „Bürgerfunk“. Er unterliegt daher keinen Einschränkungen; d.h. es besteht
freier Zugang für alle ohne Anmeldeprozedur, Freiheit von inhaltlichen
Beschränkungen (Sperren von Seiten), sowie Gebührenfreiheit für den Nutzer.
Die technische Konfiguration des Freifunknetzes ist komplex. Soll mit Freifunk
ein bestimmtes Gebiet abgedeckt werden, wie z.B. eine Fußgängerzone, sollten
sich dort möglichst viele Anlieger beteiligen, damit ein mobiler Nutzer es ohne
Unterbrechung durchqueren kann.
Die Werbegemeinschaft Schwelm steht in
Kontakt mit dem Freifunk im Ennepe-Ruhr-Kreis e.V. und möchte den Freifunk
unter ihren Mitgliedern verbreiten. Viele Mitglieder der Werbegemeinschaft sind
interessiert, Freifunk für ihre Kunden anzubieten. Die Freifunk-Gemeinschaft
ist bereit, Hilfestellung zu leisten.
Die Stadt kann den Ausbau durch ideelle und finanzielle Maßnahmen fördern. Der
Landtag NRW hat in seiner Sitzung am 25.6.2015 die Freifunkinitiative
ausdrücklich anerkannt.[1]
Sollen städtische Immobilien eingebunden werden, müssen dort allerdings
Internetanschlüsse gelegt werden, da diese bisher über den Standort
Hauptstraße 14 zentral versorgt werden. Darüber hinaus kann Freifunk an den
Flüchtlingsheimen aufgebaut werden.
4) Folgende Punkte sind beim Betrieb eines
Accesspoints zu beachten, gleichgültig ob kommerziell oder Freifunk:
a) Störerhaftung: Wer öffentliches WLAN
anbietet gilt grundsätzlich als Access-Provider und haftet für rechtswidriges
Verhalten seiner Nutzer. Beim Betrieb eines kommerziellen Accesspoints haftet der
Provider. Gleiches gilt aber auch für den Betrieb eines Freifunk-Accesspoints.
Denn der Verein Freifunk Rheinland e.V. ist ebenfalls als Internet Service
Provider anerkannt[2].
Darüber hinaus haftet der Betreiber eines Accesspoints schon deshalb nicht,
weil für ihn das Haftungsprivileg des § 8 I TMG gilt.[3]
Zum Dritten lässt sich im Freifunknetz schon aus technischen Gründen nicht
nachvollziehen, von welchem Accesspoint die Abfrage kommt.[4]
b) AGB der Accessprovider
Wer via Freifunk Bandbreite zur Verfügung stellt muss allerdings prüfen,
inwieweit sein DSL-Vertrag Klauseln enthält, die das Zur-Verfügung-Stellen von
Bandbreite an Dritte untersagen.
c) Jugendschutz
In den Schulen wird der Zugriff auf bestimmte Internetseiten wegen
unerwünschter Inhalte eingeschränkt (politisch radikale Seiten, Pornoseiten
etc.). Durch den Einsatz von Freifunk an Schulen wird diese Maßnahme
konterkariert, da Freifunk prinzipiell Internet ohne Einschränkungen zur
Verfügung stellt.
d) Sonstiges
Von zwei befragten Städten wurde auf folgendes Phänomen hingewiesen: An bestimmten
Punkten des Gebiets hätten sich in den Abendstunden Gruppen versammelt, die
dort u.a. gemeinsam surften und die Nachtruhe der Anwohner störten. Z. T.
musste ordnungsbehördlich eingegriffen werden.
5) Fazit:
a) Freifunk bietet für Einzelhandel und
Gastronomie einen deutlichen Nutzen, wie auch das große Interesse der Schwelmer
Werbegemeinschaft zeigt. Er kann dazu beitragen, Attraktivität und Verweildauer
in der Schwelmer Innenstadt zu erhöhen.
Er kann einfach und ohne großen technischen Aufwand umgesetzt werden. Der
einzelne Gewerbetreibende oder Privatmann muss nur geringe finanzielle Mittel
einsetzen. Durch das freiwillige bürgerschaftliche Engagement vieler wird der
Freifunk als „Bürgerdatennetz“ nachhaltig entwickelt und der Bürgersinn für
Schwelm gestärkt.
b) Die Stadt selbst kann durch Anmieten von
DSL-Leitungen und Anbindung der Freifunk-Router an den Standorten der
Flüchtlingsheime den Flüchtlingen einen Kontakt in die Heimat oder zu
Familienmitgliedern bieten.
c) Die Mitglieder des Freifunksvereins leben
mit ihrer Vision und sind in allen befragten Städten äußerst engagiert, den
Einsatz von Freifunk mit Rat und Tat im Sinne eines Bürgerdatennetzes zum
Erfolg zu führen.
d) Die Störerhaftung des Betreibers eines
WLAN-Accesspoints ist ausgeschlossen.
An bestimmten Stellen, wie z.B. im Bereich von Schulen oder ähnlich sensiblen
Stellen ist der Einsatz von Freifunk eher zurückhaltend anzugehen und mit den
Beteiligten zu prüfen und zu besprechen.
[2]
KGSt Schnellbrief v. 8.12.15; https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-8970.pdf
[3] Hoeren Internetrecht Oktober 2015 S. 462; 468; http://www.anwaltskanzlei-feuerhake.de/freifunk
[4] http://www.anwaltskanzlei-feuerhake.de/freifunk
Beschlussvorschlag:
Die Verwaltung wird
beauftragt, die bürgerschaftlichen Aktivitäten zum Ausbau eines Freifunknetzes
in Schwelm zu unterstützen.
|
Die Bürgermeisterin
gez. Grollmann |