Sachverhalt:
1.
Rechtslage:
Die
EU hat mit Richtlinie vom 23.11.1993 Regelungen zur Arbeitszeitgestaltung
festgelegt, die von den Mitgliedsstaaten umzusetzen sind. Demnach darf die
durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit 48 Stunden inklusive
Überstunden und Bereitschaftsdienst nicht überschreiten. Durch Beschluss des
EuGH vom 14.07. 2005 wurde festgestellt, dass diese Regelungen auch auf die
Feuerwehren Anwendung finden. Das EU-Recht wurde in NRW erst mit Inkrafttreten
der neuen Arbeitszeitverordnung Feuerwehr zum 01.01.2007 umgesetzt.
Uneinheitlich wurde von den Gerichten der Zeitraum 2001 bis 2006 bewertet. Der
EuGH vertritt die Auffassung, dass hierfür, ohne dass es einer Antragstellung
der Betroffenen bedarf, ein Ausgleich für die über 48 Stunden geleisteten
Stunden zu erfolgen hat. Nationale Gerichte halten zumindest eine „Rüge“ für
erforderlich, in dem das Überschreiten der Arbeitszeit bemängelt wird.
Auch der Umfang des Ausgleichsanspruchs wurde in der verwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung nicht einheitlich bewertet, vom Bundesverwaltungsgericht mit
Urteil vom 26.07.2012 (2 C 70/11) jedoch präzisiert. Demnach sind von 52
Wochen/Jahr 7 Wochen für Urlaub etc. abzuziehen und für die verbleibenden 45
Wochen je 6 Stunden vorrangig in Freizeit auszugleichen. Kann aus zwingenden
dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahreszeitraumes Freizeitausgleich
gewährt werden, sieht das Mehrarbeitsrecht dessen Umwandlung in Geld vor.
Das juristische Kernproblem ist allerdings die Frage der Verjährung.
Höchstrichterlich entschieden wurde, dass die Verjährung des unionsrechtlichen
Staatshaftungsanspruchs (direkt aus EU-Recht) und des beamtenrechtlichen
Ausgleichsanspruchs sich nach den Verjährungsregeln des nationalen Rechts
richtet. So unterliegen beide Ansprüche den allgemeinen Verjährungsregeln von 3
Jahren. Ebenso wurde vom Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Urteil
entschieden, dass die Voraussetzung, dass die betroffenen Gläubiger von dem
Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt haben oder diese ohne grobe
Fahrlässigkeit hätte erlangen können, seit dem Urteil des EuGH vom 03.10.2000
(C-303/98) angenommen werden kann und seit diesem Zeitpunkt ein hinreichend
qualifizierter Verstoß des Dienstherrn gegen Unionsrecht vorliegt. Unstrittig
ist damit, dass Ansprüche vor dem 01.01.2001 nicht ausreichend qualifiziert
sind.
Die Ansprüche für die Zeit 01.01.2001 bis 31.12.2006 sind nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches spätestens mit Ablauf des 31.12.2009 verjährt, d.h. dass die Berechtigung besteht, die Leistung zu verweigern. Im öffentlichen Dienstrecht ist der Dienstherr jedoch nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung sogar verpflichtet gegen Besoldungsansprüche die Einrede der Verjährung geltend zu machen und setzt sich anderenfalls dem strafrechtlichen Vorwurf der Untreue aus.
Allerdings
kann unter besonderen Umständen die Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben
verstoßen und damit unzulässig sein. Für diesen Einwand der unzulässigen
Rechtsausübung muss ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn vorliegen,
das zwar nicht immer schuldhaft zu sein braucht, das aber unter gebotener
Berücksichtigung der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls die Einrede
der Verjährung als gegen Treu und Glauben verstoßend und damit als unzulässig
erscheinen lässt. Daraus ergibt sich als regelmäßige Voraussetzung für den
Einwand unzulässiger Rechtsausübung, dass der Schuldner eine Tätigkeit
entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen,
verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm
infolge solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind.
2. Anwendung der Rechtslage auf die Stadt Schwelm
Seit ca. 1998 wird bei der Feuerwehr der Stadt Schwelm Schichtdienst
mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 54 Stunden geleistet. Nach der o.a.
Rechtslage hat diese Arbeitszeitregelung in dem Zeitraum 2001 bis 2006 gegen
Europarecht verstoßen und wäre auszugleichen.
Erstmalig im Jahre 2010 wurde schriftlich gegen die Überschreitung der Höchstarbeitszeit
von einer Vielzahl der Beschäftigten der Feuerwehr vorgegangen und ein
Ausgleich durch Leistungswiderspruch eingefordert. Die Verwaltung hat sich
aufgrund der Rechtslage außerstande gesehen, Zahlungen zu leisten und sich auf
die Einrede der Verjährung berufen. Tatbestände für eine Unterbrechung
bzw. einer Hemmung der Verjährung lagen
nicht vor. Diese Rechtsauffassung der Verjährung wurde vom Verwaltungsgericht
Arnsberg durch diverse Urteile vom 23.04.13 bestätigt.
Zwischenzeitlich liegen mehrere Berufungsklagen vor, in denen erstmalig
schriftlich dargelegt wird, dass von Vertretern der Verwaltung im Jahre 2005 in
diversen Gesprächen der Eindruck vermittelt wurde, die Verwaltung strebe einen
Ausgleich der Mehrarbeit an, sobald die
Rechtslage geklärt sei. Anträge müssten nicht gestellt werden. Diese Aussage
der damaligen Verwaltungsleitung wurde eidesstattlich von vier Bediensteten
sowie eines ehemaligen Personalratsmitglieds versichert. Eine Berufung auf die
Verjährung ist damit mit erheblichen Risiken verbunden. Wie oben ausgeführt,
könnte die Einrede der Verjährung damit gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn
durch diese Zusagen verwaltungsseitig die Beschäftigten der Feuerwehr darauf
vertrauend keine verjährungshemmende Schritte eingeleitet haben. Würde das
Oberverwaltungsgericht dieser Rechtsauffassung beitreten, hätte dies zur Folge,
dass die geleistete Mehrarbeit in vollem Umfang auszugleichen wäre. Die
Kosten hierfür würden sich auf ca. 450.000 € belaufen. Darüber hinaus würden
Anwaltskosten in nicht unerheblicher Höhe sowie Gerichtskosten anfallen.
3. Vergleichsvorschlag
Die Verwaltung hält es vor diesem Hintergrund für
gerechtfertigt (nicht zuletzt auch im Sinne des Betriebsfriedens und der
Funktionsfähigkeit der Feuerwehr) eine Vergleichslösung anzustreben. Mit dem
Personalrat soll daher die beigefügte Dienstvereinbarung kurzfristig
abgeschlossen werden, zumal wegen der anhängigen Berufungsverfahren Eile
geboten ist. Erste Gespräche mit den Betroffenen
haben signalisiert, dass mit breiter Zustimmung zu dieser Regelung gerechnet
werden kann. Mit Annahme des Vergleichsangebots muss erklärt werden, dass auf
weitergehende Ansprüche verzichtet wird.
Mit diesem Vergleich entstehen Kosten von
208.000 €, die deutlich unter einem vollständigen Ausgleich liegen,
falls das Oberverwaltungsgericht die Einrede der Verjährung für unzulässig
hält.
Aufgrund der unsicheren Rechtslage sind in vielen Kommunen ähnliche Vergleiche
abgeschlossen worden, nicht zuletzt auch um die zeit- und kostenintensive
Gerichtsverfahren zu vermeiden.
4. Fazit:
Die Beschäftigten der Feuerwehr haben in den Jahren 2001 bis 2006 europarechtswidrig 54 Stunden/ Woche gearbeitet und damit die zulässige Höchstgrenze von 48 Stunden überschritten. Die Ansprüche sind aktenkundig nicht rechtzeitig geltend gemacht worden und damit verjährt.
Durch eidesstattliche Versicherung belegt wird von einzelnen
Bediensteten der Feuerwehr sowie von einem ehemaligen Personalratsmitglied
erklärt, dass aufgrund von Gesprächen in 2005 keine Geltendmachung der
Ansprüche erfolgt ist. Eine Einrede der Verjährung könnte damit ab 2002 gegen
Treu und Glauben verstoßen.
Tritt das Oberverwaltungsgericht dieser Auffassung bei, müssten die Ansprüche
zu 100% ausgeglichen werden.
Um dieses Risiko zu minimieren, soll – wie in anderen Kommunen auch- ein
Vergleich mit der Feuerwehr geschlossen werden. Die Kosten in Höhe von 208.000€
müssen überplanmäßig bereitgestellt werden. Nach aktueller Hochrechnung der
Personalkosten kann dieser Betrag durch Minderausgaben zu 100% kompensiert
werden.
Beschlussvorschlag:
Der Vergleichsvereinbarung über den Ausgleich von
Mehrarbeitsstunden der Feuerwehrbediensteten in den Jahren 2002 bis 2006 wird
zugestimmt. Entsprechend der Empfehlung des Anwaltsbüros werden die mit den
Beschäftigten abzuschließenden Individualvereinbarungen um eine
übereinstimmende Erledigungserklärung zu den anhängigen Verfahren ergänzt.
Die erforderlichen Haushaltsmittel in Höhe von 208.000 € werden bewilligt.