Betreff
Qualitätsentwicklung gem. § 79a SGB VIII
Vorlage
139/2013
Aktenzeichen
4/51-3DA
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Sachverhalt:

Seit dem 1. Januar 2012 ist das neue Bundeskinderschutzgesetz in Kraft und durch seine Wirkung als Ausführungsgesetz sind Inhalte des SGB VIII verändert/ergänzt worden. 

 

Nach §79 a, SGB VIII sollen auf der Grundlage einer neuen Regelung zur Qualitätsentwicklung pragmatische Empfehlungen erarbeitet werden, die die Jugendämter in die Lage versetzen und sicher stellen, dass sie

·         ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen,

·         zur fachlichen Weiterentwicklung beitragen, und dies auf eine Weise, die

·         an bisherige Strukturen und Verfahrensweisen in der trägerübergreifenden Kooperation anknüpft und somit anschlussfähig gemacht werden kann an bisherige, als „bewährt“ empfundene Praxismodalitäten.1

 

Eine vorliegende (vom Landesjugendamt veröffentlichte) Expertise will für die Suche nach einer solchen Praxis und für die Haltung, mit der diese Suche erfolgt, einige Anregungen und Verfahrensvorschläge machen, die gleichsam einen „Suchrahmen“ bilden. Nicht jedes Jugendamt muss „das Rad neu erfinden“; das „Rad“ mit den Erläuterungen zu seinen Funktionsmechanismen wird hier geliefert. Aber die Akteure in jedem Jugendamt müssen überlegen, wann, wo und in welcher Weise dieses Rad eingesetzt wird und welche Feinjustierungen dem Rad hinzugefügt werden sollten, damit es „runder“ läuft. Zu diesen Fragen werden Anhaltspunkte/Kriterien und Vorschläge für Entscheidungen markiert, aber die Entscheidungen und die „Feinmechanik“ müssen dann vom jeweiligen Jugendamt getroffen bzw. erarbeitet werden.2

 

In § 79a SGB VIII werden einige Aspekte benannt, nach denen der grundlegende Auftrag zur kontinuierlichen Qualitätsentwicklung ausgestaltet werden soll.3

 

Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben, ähnlich wie bei der Jugendhilfeplanung, die Verpflichtung, Prozesse der Qualitätsentwicklung zu initiieren sowie diese aufrechtzuerhalten und kontinuierlich weiterzuentwickeln; ihrer Gesamtverantwortung für die Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe kommen sie jedoch nur dann nach, wenn sie in diese Prozesse auch die Träger der freien Jugendhilfe und deren Leistungen einbeziehen.4

 

In § 79a SGB VIII werden zwei Verpflichtungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe markiert. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen dafür Sorge tragen,

·         dass „Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität“, also Qualitätskriterien erarbeitet und definiert werden und

·         dass „geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung“ angewendet, regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden, also Verfahren der Qualitätsentwicklung entworfen und praktiziert werden.

 

Sowohl die Qualitätskriterien als auch die Verfahren zur Qualitätsentwicklung sollen regelmäßig überprüft werden. Qualitätsentwicklung soll als ein dynamischer Prozess gestaltet werden, der sowohl inhaltlich als auch verfahrensmäßig angesichts neuer Erkenntnisse und Erfahrungen reflektiert und ggf. verändern soll.

Kein Handlungsbereich der Kinder- und Jugendhilfe soll von den Prozessen der Qualitätsentwicklung ausgespart bleiben.

Einzubeziehen sind alle Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe: alle Leistungsfelder und die Erfüllung anderer Aufgaben. Obwohl damit auch Prozesse der Gefährdungseinschätzung nach § 8a SGB VIII und die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen einbezogen sind, sind diese in § 79a SGB VIII eigens als Gegenstand der Qualitätsentwicklung benannt.

Bei der Definition von Qualitätskriterien und bei den Verfahren zur Qualitätsbewertung müssen zwei Themen verpflichtend einbezogen werden:

·         Qualitätsmerkmale für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und Qualitätsmerkmale für den Schutz von Kindern und

·         Jugendlichen vor Gewalt in Einrichtungen und Diensten.

Damit die örtliche Qualitätsentwicklung an die übergreifenden fachlichen Qualitätsdebatten in den Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe angekoppelt bleibt und nicht in Gefahr gerät, sich gegenüber dem Fachdiskurs in der Profession zu verselbständigen, sollen sich die örtlichen Akteure an den fachlichen Empfehlungen orientieren, die die nach § 85 Abs. 2 SGB VIII zuständigen Behörden (also die Landesjugendämter) erarbeiten und herausgeben sollen.5

 

Zuständigkeit des Jugendhilfeausschusses

 

Die Entscheidungen, welche „Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität“ in den unterschiedlichen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe zugrunde gelegt werden sollen und nach welchen Verfahrensweisen die Qualitätsentwicklung innerhalb des Jugendamtes und gemeinsam mit freien Trägern realisiert werden soll, haben grundlegende Bedeutung für die gesamte örtliche Jugendhilfe und sind daher nicht als „Geschäft der laufenden Verwaltung“ (§ 70 Abs. 2 SGB VIII) anzusehen.

Für diese Entscheidungen muss der Jugendhilfeausschuss als zuständig betrachtet werden, weil es sich bei  der Qualitätsentwicklung

·         um einen grundlegenden Prozess zur „Weiterentwicklung der Jugendhilfe“ und

·         um ein Vorgehen mit engem Bezug zur Jugendhilfeplanung handelt.

Beide Aspekte fallen in den in § 71 Abs. 2 SGB VIII ausdrücklich genannten Zuständigkeitsbereich des Jugendhilfeausschusses.

 

Im Jugendhilfeausschuss ist also zu beraten und zu entscheiden,

 

·         mit welchen Verfahrensschritten die Prozesse der Qualitätsentwicklung in den verschiedenen Handlungsfeldern der Jugendhilfe realisiert werden sollen,

·         nach welchen Qualitätskriterien die Qualität in den einzelnen Handlungsfeldern bewertet und kontinuierlich weiterentwickelt werden soll.

 

Erster Teil der Qualitätsentwicklung wird die Erstellung eines Qualitätshandbuches im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe sein.

Zweiter Teil werden die Qualitätsvereinbarungen mit den freien Trägern der Jugendhilfe sein.

Der dritte Teil wird die Evaluation beinhalten und sich in der Fortschreibung wieder an den ersten und zweiten Teil anschließen.

Dieser fortlaufende Prozess ist eine umfassende, zusätzliche Aufgabe, der sich die Prozessbeteiligten in Zukunft kontinuierlich stellen müssen.

In einem ersten Projekt zur Qualitätsentwicklung soll in einer Art Pretest-Verfahren ein einzelner Teilbereich des Jugendamtes beleuchtet werden. Ein Analyseverfahren ist zu entwickeln, dessen Strukturen sich auf alle Teilbereiche öffentlicher Jugendhilfe anwenden lassen und eine Gliederung für die Erhebungen vorgibt. Gesetzliche Vorgaben, örtliche Bedingungen, tatsächliche Handlungsbedingungen und bestehende Zielvorgaben sind zu definieren und der Aufgabe gegenüberzustellen.

Die Erstellung von Qualitätshandbuch und Qualitätsvereinbarungen, deren Überprüfung und Fortschreibung wird sich, gemessen an den Erfahrungen anderer Kommunen über Jahre hin entwickeln. Da es sich um einen stetig neu wiederholenden Prozess handelt, wird der Jugendhilfeausschuss dauerhaft beteiligt und informiert werden.  

 

1 nach „Qualitätsentwicklung in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im Auftrag von LWL und LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013, 2 „Qualitätsentwicklung in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im Auftrag von LWL und LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013 (siehe 3), 3, 4 „Qualitätsentwicklung in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im Auftrag von LWL und LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013, 5 „Qualitätsentwicklung in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im Auftrag von LWL und LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013 (siehe 4), 6 „Qualitätsentwicklung in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im Auftrag von LWL und LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013

 

 


Beschlussvorschlag:

Der Ausschuss beauftragt die Verwaltung, wie geplant die Qualitätsentwicklung gem. § 79a SGB VIII durchzuführen.