Sachverhalt:
Seit dem 1. Januar 2012 ist
das neue Bundeskinderschutzgesetz in Kraft und durch seine Wirkung als Ausführungsgesetz
sind Inhalte des SGB VIII verändert/ergänzt worden.
Nach §79 a, SGB VIII sollen
auf der Grundlage einer neuen Regelung zur Qualitätsentwicklung pragmatische
Empfehlungen erarbeitet werden, die die Jugendämter in die Lage versetzen und
sicher stellen, dass sie
·
ihrem
gesetzlichen Auftrag nachkommen,
·
zur
fachlichen Weiterentwicklung beitragen, und dies auf eine Weise, die
·
an
bisherige Strukturen und Verfahrensweisen in der trägerübergreifenden
Kooperation anknüpft und somit anschlussfähig gemacht werden kann an bisherige,
als „bewährt“ empfundene Praxismodalitäten.1
Eine vorliegende (vom
Landesjugendamt veröffentlichte) Expertise will für die Suche nach einer
solchen Praxis und für die Haltung, mit der diese Suche erfolgt, einige Anregungen
und Verfahrensvorschläge machen, die gleichsam einen „Suchrahmen“ bilden. Nicht
jedes Jugendamt muss „das Rad neu erfinden“; das „Rad“ mit den Erläuterungen zu
seinen Funktionsmechanismen wird hier geliefert. Aber die Akteure in jedem
Jugendamt müssen überlegen, wann, wo und in welcher Weise dieses Rad eingesetzt
wird und welche Feinjustierungen dem Rad hinzugefügt werden sollten, damit es
„runder“ läuft. Zu diesen Fragen werden Anhaltspunkte/Kriterien und Vorschläge
für Entscheidungen markiert, aber die Entscheidungen und die „Feinmechanik“
müssen dann vom jeweiligen Jugendamt getroffen bzw. erarbeitet werden.2
In § 79a SGB VIII werden
einige Aspekte benannt, nach denen der grundlegende Auftrag zur
kontinuierlichen Qualitätsentwicklung ausgestaltet werden soll.3
Die Träger der öffentlichen
Jugendhilfe haben, ähnlich wie bei der Jugendhilfeplanung, die Verpflichtung,
Prozesse der Qualitätsentwicklung zu initiieren sowie diese aufrechtzuerhalten
und kontinuierlich weiterzuentwickeln; ihrer Gesamtverantwortung für die
Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe kommen sie jedoch nur dann nach, wenn
sie in diese Prozesse auch die Träger der freien Jugendhilfe und deren
Leistungen einbeziehen.4
In § 79a SGB VIII werden
zwei Verpflichtungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe markiert. Die
Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen dafür Sorge tragen,
·
dass
„Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität“, also
Qualitätskriterien erarbeitet und definiert werden und
·
dass
„geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung“ angewendet, regelmäßig überprüft
und weiterentwickelt werden, also Verfahren der Qualitätsentwicklung
entworfen und praktiziert werden.
Sowohl die Qualitätskriterien
als auch die Verfahren zur Qualitätsentwicklung sollen regelmäßig überprüft
werden. Qualitätsentwicklung soll als ein dynamischer Prozess gestaltet
werden, der sowohl inhaltlich als auch verfahrensmäßig angesichts neuer
Erkenntnisse und Erfahrungen reflektiert und ggf. verändern soll.
Kein Handlungsbereich der Kinder- und
Jugendhilfe soll von den Prozessen der Qualitätsentwicklung ausgespart
bleiben.
Einzubeziehen sind alle
Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe: alle Leistungsfelder und die
Erfüllung anderer Aufgaben. Obwohl damit auch Prozesse der Gefährdungseinschätzung
nach § 8a SGB VIII und die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen einbezogen
sind, sind diese in § 79a SGB VIII eigens als Gegenstand der
Qualitätsentwicklung benannt.
Bei der Definition von
Qualitätskriterien und bei den Verfahren zur Qualitätsbewertung müssen zwei
Themen verpflichtend einbezogen werden:
·
Qualitätsmerkmale
für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und
Qualitätsmerkmale für den Schutz von Kindern und
·
Jugendlichen
vor Gewalt in Einrichtungen und Diensten.
Damit die örtliche
Qualitätsentwicklung an die übergreifenden fachlichen Qualitätsdebatten in den
Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe angekoppelt bleibt und nicht in
Gefahr gerät, sich gegenüber dem Fachdiskurs in der Profession zu verselbständigen,
sollen sich die örtlichen Akteure an den fachlichen Empfehlungen orientieren,
die die nach § 85 Abs. 2 SGB VIII zuständigen Behörden (also die
Landesjugendämter) erarbeiten und herausgeben sollen.5
Zuständigkeit des
Jugendhilfeausschusses
Die Entscheidungen, welche
„Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität“ in den
unterschiedlichen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe zugrunde gelegt
werden sollen und nach welchen Verfahrensweisen die Qualitätsentwicklung
innerhalb des Jugendamtes und gemeinsam mit freien Trägern realisiert werden
soll, haben grundlegende Bedeutung für die gesamte örtliche Jugendhilfe und
sind daher nicht als „Geschäft der laufenden Verwaltung“ (§ 70 Abs. 2 SGB VIII)
anzusehen.
Für diese Entscheidungen
muss der Jugendhilfeausschuss als zuständig betrachtet werden, weil es sich
bei der Qualitätsentwicklung
·
um einen grundlegenden Prozess
zur „Weiterentwicklung der Jugendhilfe“ und
·
um ein Vorgehen mit engem
Bezug zur Jugendhilfeplanung handelt.
Beide Aspekte fallen in den
in § 71 Abs. 2 SGB VIII ausdrücklich genannten Zuständigkeitsbereich des
Jugendhilfeausschusses.
Im Jugendhilfeausschuss ist
also zu beraten und zu entscheiden,
·
mit welchen
Verfahrensschritten die Prozesse der Qualitätsentwicklung in den verschiedenen
Handlungsfeldern der Jugendhilfe realisiert werden sollen,
·
nach welchen
Qualitätskriterien die Qualität in den einzelnen Handlungsfeldern bewertet und
kontinuierlich weiterentwickelt werden soll.
Erster Teil der
Qualitätsentwicklung wird die Erstellung eines Qualitätshandbuches im Rahmen
der öffentlichen Jugendhilfe sein.
Zweiter Teil werden die
Qualitätsvereinbarungen mit den freien Trägern der Jugendhilfe sein.
Der dritte Teil wird die
Evaluation beinhalten und sich in der Fortschreibung wieder an den ersten und
zweiten Teil anschließen.
Dieser fortlaufende Prozess
ist eine umfassende, zusätzliche Aufgabe, der sich die Prozessbeteiligten in
Zukunft kontinuierlich stellen müssen.
In einem ersten Projekt zur
Qualitätsentwicklung soll in einer Art Pretest-Verfahren ein einzelner
Teilbereich des Jugendamtes beleuchtet werden. Ein Analyseverfahren ist zu
entwickeln, dessen Strukturen sich auf alle Teilbereiche öffentlicher
Jugendhilfe anwenden lassen und eine Gliederung für die Erhebungen vorgibt.
Gesetzliche Vorgaben, örtliche Bedingungen, tatsächliche Handlungsbedingungen
und bestehende Zielvorgaben sind zu definieren und der Aufgabe
gegenüberzustellen.
Die Erstellung von
Qualitätshandbuch und Qualitätsvereinbarungen, deren Überprüfung und
Fortschreibung wird sich, gemessen an den Erfahrungen anderer Kommunen über
Jahre hin entwickeln. Da es sich um einen stetig neu wiederholenden Prozess
handelt, wird der Jugendhilfeausschuss dauerhaft beteiligt und informiert
werden.
1 nach
„Qualitätsentwicklung in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im
Auftrag von LWL und LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013, 2 „Qualitätsentwicklung
in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im Auftrag von LWL und
LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013 (siehe 3), 3, 4 „Qualitätsentwicklung
in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im Auftrag von LWL und
LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013, 5 „Qualitätsentwicklung
in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im Auftrag von LWL und
LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013 (siehe 4), 6 „Qualitätsentwicklung
in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe“, Expertise im Auftrag von LWL und
LVR, Redaktion: Prof. Dr. J. Merchel, 2013
Beschlussvorschlag:
Der Ausschuss beauftragt
die Verwaltung, wie geplant die Qualitätsentwicklung gem. § 79a SGB VIII
durchzuführen.