Betreff
B7>17: Ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Hagen und der Städte Ennepetal, Gevelsberg, Schwelm und des Ennepe-Ruhr Kreises
Vorlage
095/2012/1
Aktenzeichen
StEB / Sch
Art
Beschlussvorlage
Referenzvorlage

Sachverhalt:

Der städtebauliche Strukturwandel ist am südlichen Rand des Ruhrgebietes besonders ausgeprägt. Während in der Vergangenheit die Nordwestachsen im Norden (Emscherzone, Emscherparkautobahn) und in der Mitte (Hellwegzone, B1) im Focus der Regionalpolitik standen, wurde der Süden vorrangig als Grünachse (Ruhrtal) betrachtet. Obwohl es sich um eine Randzone des Ruhrgebietes handelt, haben sich hier eine Reihe typischer Problemlagen, die auch in den Kernzonen des Ruhrgebietes zu finden sind, angesammelt. Dieser Raum ist im Kern dicht besiedelt, der demografische Wandel wird sich zukünftig noch stärker als in den Kernzonen des Ruhrgebietes auswirken, die Topografie führt zu Flächenengpässen und gleichzeitig zu Konzentration von Problemlagen in den Tälern, die Brachflächenproblematik ist in Teilbereichen besonders akut. Trotz der Randlage zwischen Ruhrgebiet und Sauerland fehlt es in den Kernzonen an Grünflächen, die Flüsse sind kaum zugänglich und die Belastung entlang der Hauptverkehrsstraßen ist enorm. Diese Problemlagen sind beispielhaft entlang der B7 zu finden und ziehen sich nahtlos durch einen Bereich, der sich von Hagen nach Südwesten über die Städte Gevelsberg, Ennepetal bis nach Schwelm erstreckt.

 

In jeder dieser Städte gibt es bereits umfangreiche Initiativen zur Bewältigung dieser städtebaulichen Herausforderungen. Dies hat jedoch noch nicht dazu geführt, dass die strukturellen Probleme dieses Bereiches entlang der B7 als Ganzes von den regionalen Gebietskörperschaften und den Landesministerien entsprechend wahrgenommen wurden.

 

Die Komplexität der Problematik macht es aus Sicht der beteiligten Kommunen jedoch erforderlich, zukünftig gemeinsam vorzugehen, um sich strategisch abzustimmen und als Region gegenüber dem Land nachhaltiger präsentieren zu können. In einem ersten Schritt wurde das Projekt B7 bereits bei der Fortschreibung des Konzepts Ruhr als interkommunales Projekt aufgenommen und entsprechend eingestuft. Auch im Hinblick auf die beginnende neue Förderperiode der EU ab 2014 erscheint eine gemeinsame regionale Herangehensweise erfolgversprechender als jeweilige Einzelbewerbungen zu sein.

 

B7: Rückblick

Die Bundesstraße 7 beginnt an der A52 in Büderich und verläuft durch Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen über 530 km bis nach Rochlitz in Sachsen. Der Abschnitt von Wuppertal bis Hagen wurde bereits 1788 als „Kunststraße“ fertiggestellt und ist damit eine der ältesten ingenieurmäßig geplanten Straßen  Deutschlands.

 

Gerade im Raum Ennepetal, Gevelsberg, Hagen und Schwelm wurde so die wirtschaftliche Entwicklung für lange Zeit enorm begünstigt. Entlang der gut ausgebauten Verkehrsachse haben sich – zusätzlich gestärkt durch den begleitenden Fluss Ennepe – frühzeitig erste industrielle Ansätze entwickelt, die sich bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts stetig weiter verdichteten. Große Namen der deutschen Industrie wie z.B. das ehemalige Eisenwerk Schwelm, Pass, Schmidt-Gevelsberg und Titan in Schwelm, oder etwa Brandt und Varta in Hagen stehen beispielhaft für die erfolgreiche Wirtschaftsgeschichte entlang der B7. Im Zuge der begleitenden Siedlungsentwicklung wuchsen die Städte zusammen. Täglich befahren je nach Abschnitt zwischen 12.500 und 28.000 Fahrzeuge die B7 im Planungsraum. Die Übergänge zwischen den Städten sind auf dem rund 20 km langen Straßenabschnitt heute faktisch nur noch an den Ortsschildern erkennbar.   

 

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich die Szenerie entlang der B7 stark verändert. Die vormals verbliebenen Freiflächen haben sich zum großen Teil in Einzelhandelsflächen verwandelt.  Obwohl rund (Schwelm 1.000, Gevelsberg 6.500, Ennepetal 1.500 und Hagen 7.000 Einwohner) Menschen unmittelbar an oder nahe der B7 leben, ist die Wohn- und Aufenthaltsqualität – von kleinen Enklaven abgesehen – gering.

 

Wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen sind mangels Erweiterungsflächen in ihrer Entwicklung eingeschränkt. Große Konzerne sind abgewandert oder haben ihre Produktion ganz eingestellt. Die Neunutzung der verbliebenen Industriebrachen entlang der B7 in einer interkommunalen Größenordnung von 44 ha ist wegen des damit verbundenen Aufwands bislang kaum möglich. Für die betroffenen Städte stellt dies ein besonderes Problem dar, weil sie – ausweislich der Analyse „Wirtschaftsflächen Ruhr 2009“ und der Zwischenergebnisse des „Gewerblichen Flächenmanagements Ruhr“ – auf Grund der topografischen Gegebenheiten insgesamt mit erheblichen Einschränkungen bei der gewerblichen Flächenentwicklung konfrontiert sind. Die Aufbereitung von Brachflächen und die Schaffung von Erweiterungsflächen für vorhandene Unternehmen entlang der B7 sind daher von grundlegender Bedeutung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. 

 

 

B7>17: Ausblick

Vor diesem Hintergrund haben die Planer und Wirtschaftsförderer der Städte Gevelsberg, Ennepetal, Hagen und Schwelm sowie des Ennepe-Ruhr Kreises eine gemeinschaftliche Bestandsaufnahme der städtebaulichen Gesamtsituation erstellt und über die Identifizierung von räumlich zugeordneten Handlungsfeldern ein Grundkonzept zur interkommunalen Aufwertung von Flächen und Stadträumen entwickelt. Die Erarbeitung der Bestandsaufnahme wurde von der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH unterstützt. 

 

Damit haben sich vier Städte und ein Kreis darauf verständigt, einen zusammen -hängenden Stadtraum gemeinschaftlich zu untersuchen und mit einem interkom- munalen Konzept zur Aufwertung dieses Raumes an den Start zu gehen.

 

Das Gemeinschaftsprojekt trägt den Titel „B7>17“, weil das Jahr 2017 eine geeignete Zielmarke zur Umsetzung erster Teilvorhaben darstellt. Der Zeitraum 2012/2013 kann genutzt werden, um die notwendigen Beschlüsse zu fassen sowie  Planungsgrundlagen, Organisationsentscheidungen und Anträge zur Projektförderung zu erstellen. Im Anschluss daran können die ersten Projekte im Zeitraum 2014-2017 realisiert werden.

Zu den in der Bestandsaufnahme definierten Handlungsfeldern gehören       

·        Die ökonomische Dimension

Dieses Handlungsfeld bezieht sich auf die systematische Reaktivierung von Industriebrachen zur vorrangigen gewerblichen Nutzung und die Unterstützung vorhandener Gewerbebetriebe durch Mobilisierung von Reserve- und Erweit-terungsflächen. Zur Aktivierung der Brachflächen sind neue Finanzierungs-  konstruktionen erforderlich. Dazu zählen übergreifende Fondsmodelle in öffentlicher Verantwortung oder auch treuhänderische Modelle wie bei der Bahnflächenentwicklungsgesellschaft NRW (BEG). Zur Sicherung von Reserve- und Erweiterungsflächen für bestehende Unternehmen wird gemeinsam mit betroffenen Unternehmen eine entsprechende Perspektivstudie erstellt. 

·        Die Freiraumentwicklung

Grundsätzliches Ziel ist eine gemeindeübergreifende, durchgängige Begehbarkeit der Flussufer entlang der Ennepe. Dazu werden die anliegenden Flächen systematisch untersucht und einzelne Abschnitte schrittweise in die Realisierung gebracht. Wo immer möglich, sollen auch „Grünachsen“ von der Ennepe in Richtung B7 in den Überlegungen berücksichtigt werden. In die Untersuchung und Realisierung wird der Regionalverband Ruhrgebiet (RVR) einbezogen.

·        Die städtebauliche Aufwertung

Im Mittelpunkt der städtebaulichen Aufwertung stehen eine „Markierung“ der Stadtübergänge und die Schaffung von urbanen Inseln an städtebaulich bedeutsamen Knotenpunkten entlang des Straßenverlaufs. Mit der künstlerisch/architektonisch aufbereiteten Markierung der Stadtübergänge als sinnbildliche „Stadttore“ entstehen weithin wahrnehmbare Merkpunkte für das Gesamtprojekt B7>17. Bedeutsame Plätze oder Kreuzungsbereiche im Straßenverlauf werden durch städtebauliche Maßnahmen so umgestaltet, dass sie zu einer Aufwertung der umliegenden Wohn- oder Geschäftsbereiche beitragen.

 

Alle drei Handlungsfelder stärken sich wechselseitig und sorgen für öffentliche Wahrnehmbarkeit und Akzeptanz des Gesamtprojekts.       

 

Nächste Schritte

Diese Vorlage wird parallel in den zuständigen Gremien der Stadträte und Kreistage sowie der Wirtschaftsförderungsgesellschaften beraten und nach Beschlussfassung Grundlage für die weitere Zusammenarbeit. Parallel dazu erfolgt eine erste Kontaktaufnahme mit den Abteilungen für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung im Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.

 

Ziel ist es, auf Basis entsprechender Beschlüsse eine gemeinschaftlich verantwortete Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Die interdisziplinär zu erarbeitende Machbarkeitsstudie soll die inhaltlichen Schwerpunkte untersetzen sowie Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten einschließlich öffentlich/privater Modelle in den Blick nehmen. Auf dieser Basis sind auch erste Einschätzungen zu Kosten und Realisierungsperspektiven möglich.

 

Zur Finanzierung der Machbarkeitsstudie wird auf der Basis eines gemeinsamen Antrags eine Förderung durch das Land Nordrhein-Westfalen angestrebt. Die Gesamtkosten einer solchen Studie sowie die jeweiligen kommunalen Eigenanteile können erst nach Ablauf der Gespräche mit dem Land ermittelt und in den jeweiligen kommunalen Gremien zur Beratung und Entscheidung vorgelegt werden.  Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie können im Frühjahr 2013  vorliegen.

 

Zu diesem Zeitpunkt werden auch abschließende Erkenntnisse zu den Schwerpunkten und Rahmenbedingungen der nächsten EU-Förderperiode (ab 2014)  vorliegen. Bislang hat die Europäische Union folgende  grundsätzlichen Überlegungen für den Förderzeitraum bis 2020 benannt:           

·         Produktive Investitionen, die zur Schaffung und Erhaltung dauerhafter Arbeitsplätze beitragen; durch direkte Investitionshilfen für kleine und mittlere Unternehmen

·        Investitionen in Infrastruktureinrichtungen, die grundlegende Dienstleistungen für Bürger in den Bereichen Energie, Umwelt, Verkehr sowie Informations- und Kommunikationstechnologien bereitstellen

·        Investitionen in die soziale Infrastruktur, die Gesundheits- und die Bildungsinfrastruktur

·        Die Erschließung des endogenen Potentials durch die Unterstützung der regionalen und lokalen Entwicklung, der Forschung und der Innovation

Als eines der Ziele im Bereich Städtebau wird im Verordnungsentwurf der Kommission unter anderem die „Sanierung und wirtschaftliche Belebung städtischer Gemeinschaften/Gebiete benannt. In Ergänzung der Fördersystematik sollen „Integrierte Territoriale Investitionen (ITI)“ eingeführt werden, die Mittel für verschiedene Maßnahmen bündeln und die Mittelverwaltung in die Verantwortung lokaler Behörden (z.B. Städte) geben.

 

Aus diesem Kontext ergeben sich bereits einige Anknüpfungspunkte für mögliche Maßnahmen im Rahmen des interkommunalen Projekts B7>17. Hinzu kommt, dass im Anschluss an die Entscheidungen der Europäischen Union auch Klarheit über die ergänzenden Handlungsmöglichkeiten des Landes NRW im genannten Zeitraum geschaffen wird.  

 

Damit können die kommunalen Gebietskörperschaften ab Mitte 2013 auf der Basis der Machbarkeitsstudie und einer fundierten Faktenlage hinsichtlich der Rahmenbedingungen abschließende Entscheidungen zu Projekten, Finanzierungs -konstruktionen und organisatorischer Abwicklung treffen. 

 

 

Die Vorlage 095/2012/1 ersetzt die Vorlage 095/2012, deren Beratungsfolge durch das Ausfallen des Hauptausschusses am 03.05.2012 geändert werden musste. Die Vorlage 095/2012/1 wird somit unmittelbar dem Rat der Stadt Schwelm zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt.

 


Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Schwelm begrüßt das Vorhaben zur B 7 – Revitalisierung und beauftragt die Verwaltung damit, das Projekt gemeinsam mit den beteiligten Nachbarkommunen in den zuständigen Ministerien vorzustellen. Dabei sollen die Möglichkeiten der Förderung einer Machbarkeitsstudie durch das Land geprüft werden.