Betreff
Herstellung von öffentlichen Erschließungsanlagen gem. § 125 Abs. 2 BauGB - Ehrenberger Straße (von Obermauerstraße bis Wendekreis) 1. Abwägung und Beschlussfassung über Anregungen aus der Beteilung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange 2. Abwägung und Beschlussfassung über Anregungen aus der Beteiligung der Öffentlichkeit 3. Ausbaubeschluss
Vorlage
096/2010/2
Aktenzeichen
FB 5/6 Sd
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Sachverhalt:

 

Vorbemerkung

In der Sitzung vom 01.06.2010 hat der AUS – auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - die Verwaltung beauftragt, zu den in der SV NR. 096/2010 vorgestellten Planvarianten eine zusätzliche Ausbauvariante im Shared-Space Prinzip bis zum Hauptausschuss am 01.07.2010 zu erstellen.

 

Shared Space ist eine in den Niederlanden entwickelte Gestaltungsphilosophie für innerstädtische Geschäfts- und Hauptverkehrsstraßen, die auf gegenseitige Verständigung der Verkehrsteilnehmer bei möglichst weitgehendem Verzicht auf Verkehrsregeln, Lichtsignalanlagen und Beschilderungen setzt. Shared Space setzt hervorragende Sichtbeziehungen voraus, um gegenseitige Rücksichtnahme und Kommunikation der Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Der ruhende Verkehr ist daher aus ausgewählten Abschnitten weitgehend zu verlagern und die Parkraumnachfrage ist durch Angebote im nahen Umfeld zu befriedigen.

 

Das Ministerium für Bauen und Verkehr (MBV) steht dem Gedanken des Shared Space eher restriktiv gegenüber. Insbesondere die Verkehrssicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmer (vor allem Seh-Behinderter aber auch Kinder) kann aus Ministeriumssicht nicht hinreichend gewährleistet werden. Auch die Ergebnisse der Unfallzahlen in der Modellstadt Bohmte in Niedersachsen können nicht zeigen, dass Shared Space im Sinne der Verkehrssicherheit ein Erfolgsmodell ist. Weitere Ergebnisse zur Unfallentwicklungen in europäischen Modellprojekten stehen bisher noch aus.

 

Für das MBV ist das Shared Space - Prinzip nur in Ausnahmefällen anwendbar. Dazu orientiert sich das MBV an der Haltung des Deutschen Verkehrssicherheitsrates, der dazu einen Vorstandsbeschluss im Oktober 2008 formuliert hat. Eine entsprechende Haltung wurde auch auf der Verkehrsingenieurbesprechung 2009 eingenommen, die für nachfolgende Behörden Erlass-Charakter hat (s. Anlagen 1 und 2).

 

Der vorgenannte Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) hat mit einem Vorstandsbeschluss vom Oktober 2008 zum Ausdruck gebracht, dass das Shared Space Prinzip allenfalls als Nischenlösung Anwendung finden kann, wenn die Verkehrssicherheit insbesondere schwächerer Verkehrsteilnehmer sichergestellt wird. Eines von mehrere Ausschlusskriterien bzgl. Shared Space ist für den DVR ausdrücklich Straßen mit hohem Parkdruck (s. Anlagen 3 und 4)

 

„In Bohmte, dem einzigen  EU-Modellprojekt zu Shared Space in Deutschland, zeigt sich einige Monate nach Fertigstellung der Umgestaltung ein bisher unbefriedigendes Ergebnis hinsichtlich der Verkehrssicherheit.“ (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, GDV 2009, s. Anlage 5). Die Umbaukosten in Bohmte betrugen für die ca. 400 m lange Ortsdurchfahrt 2,35 Mio. €. Davon hat die EU 576.000,- € übernommen (etwa 25 %) (s. Anlage 6).

 

Erste Nachbesserungen (nachträgliche Anlage von Fußgängerüberwegen und taktilen Elemente) in den Niederländischen Städten Drachten und Haaren deuten darauf hin, dass Fußgänger – und hier insbesondere Kinder, ältere Menschen und Mobilitätseingeschränkte – Probleme mit dem Shared-Space-Prinzip haben können.

 

Argumente des GDV gegen Shared Space:

  • Verkehrssicherheit bislang nicht nachgewiesen
  • Fehlende Schutzräume und gesicherte Querungsmöglichkeiten (insbesondere für Kinder und Senioren)
  • Schwierige Orientierung für Blinde und Sehbehinderte
  • Reduzierung von Parkplätzen
  • Nur sinnvoll bei geringem Kraftfahrzeugverkehr
  • Teurer Umbau erforderlich
  • Unsichere Rechtslage

 

 

Schon in der Sitzungsvorlage Nr. 096/2010 (S. 15) hat die Verwaltung o. a. Problempunkte zu Shared Space dargestellt und von einem Ausbau im Shared Space-Prinzip abgeraten. Es gibt nur ein Modellprojekt in Deutschland, für welches noch keine belastbare Evaluation vorliegt und das nur schwerlich mit den Rahmenbedingungen der Ehrenberger Straße vergleichbar ist.

 

Während es sich in Bohmte und in den Niederlanden es um platzartige Straßenräume ohne nennenswerte Gefälle handelt, verfügt die Ehrenberger Straße durchgehend über ein starkes Längsgefälle bis zu 17 %. Auch schränkt der Kurvenverlauf im Mittelteil in Verbindung mit den Straßenböschungen auf der Westseite die Sichtbeziehungen erheblich ein. Hierdurch würde, bei Verzicht geschützter Fußgängerbereiche, ein erhebliches Gefährdungspotenzial für Fußgänger entstehen.   

 

Das starke Längsgefälle ist auch der Haupthinderungsgrund für einen Ausbau als verkehrsberuhigter Bereich gemäß StVO. 

 

Auch steht das Shared Space Planungsprinzip der deutlichen Reduzierung von Parkplätzen zur Verbesserung der Sichtbeziehungen den mehrheitlich geäußerten Anregungen der Anwohner nach möglichst vielen Stellplätzen im öffentlichen Straßenraum gegenüber.

 

 

Planung (s. Anlage 7)

Die vorliegende Variante 4 versucht in mündlicher Abstimmung mit Herrn Weidenfeld (Bündnis 90/Die Grünen) vom 25.06.2010 dem Straßenraum im südlichen Abschnitt von Haus Nr. 22 bis zum Wendekreis einen stärker verkehrsberuhigten Charakter zu verleihen.

 

Aus Gründen des Fußgängerschutzes soll im Mittelteil (von Haus Nr. 20 bis Haus Nr. 14) aufgrund des starken Gefälles sowie des Kurvenverlaufs die von der Verwaltung vorgeschlagene Aufteilung mit beidseitigen Gehwegen beibehalten werden.

 

  • Die Straßenfläche wird in diesem Abschnitt auf gesamter Breite niveaugleich asphaltiert.
  • Die beiden jeweils 1,50 m breiten seitlichen Schutzräume für Fußgänger werden durch den Einsatz  verschiedener Gestaltungselemente wie Parkplatzmarkierungen, vereinzelte Poller und Blumenkübel hergerichtet.
  • Als verkehrsberuhigendes Element wird vor den Häusern Nr. 26, 27 und 35 jeweils 2 m breite punktuelle Fahrbahneinengungen angelegt.  Baumpflanzungen wären dort denkbar.

 

 

Kosten

Aufgrund des Ausbaus im südlichen Abschnitt auf gesamter Breite als asphaltierte Mischfläche würden für den geänderten Straßenaufbau Mehrkosten in Höhe von ca. 10.000,- € gegenüber der vorgeschlagenen Ausbauvariante entstehen (ca. 500 qm mehr asphaltierte Fläche).

 

Weiterhin würden durch Markierungen, Poller, Blumenkübel, evtl. Baumpflanzungen und Fahrbahneinengungen Mehrkosten gegenüber der vorgeschlagenen Ausbauvariante entstehen. Die geschätzte Höhe muss noch beziffert werden.

 

 


Beschlussvorschlag:

Die im Rahmen der Behörden- und Bürgerbeteiligung eingegangenen Anregungen werden wie in den Sitzungsvorlagen 096/2010 und 096/2010/2 dargestellt, abgewogen.

Die Verwaltung wird beauftragt, die Ehrenberger Straße auf der Grundlage der Variante 2 auszubauen.


  1. Email MBV NRW vom 15.06.2010 (1 Seite)
  2. Protokoll Verkehrsingenieur-Besprechung (3 Seiten)
  3. Deutscher Verkehrssicherheitsrat 2008 (2 Seiten)
  4. Deutscher Verkehrssicherheitsrat 2010 (6 Seiten)
  5. Artikel GVD 2009 (2 Seiten)
  6. Artikel Straßenverkehrstechnik 1/2010 (10 Seiten)
  7. Planentwurf Variante 4 (1 Seite)